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UN-Mission verzichtbar, US-Soldaten nicht

In Bosnien ist das Ende der UN-Mission unabhängig vom Streit mit den USA um den Internationalen Strafgerichtshof ohnehin zum Jahresende geplant wie auch die Ablösung amerikanischer Polizisten durch Europäer. Nur ein Abzug der USA aus der SFOR würde vor Ort als beunruhigend empfunden

aus Sarajevo ERICH RATHFELDER

Einem Mahnmal gleich ragt die Ruine des Gebäudes der Tageszeitung Oslobodjenje an der Einfallstraße nach Sarajevo in die Höhe. Sieben Jahre nach Kriegsende sind aber viele andere Häuser, die während der über dreieinhalb jährigen Belagerung der Stadt zerstört wurden, wieder aufgebaut. Neue, moderne Gebäude zieren nun die Straße, die einst als „Heckenschützenallee“ traurige Berühmtheit erlangte.

Über einem der neuen Gebäudekomplexe weht die Fahne der Vereinten Nationen. Weiße Geländewagen stehen hinter dem hohen Zaun, der das Gebäude umgibt. Hier sind die Büros der UN-Mission in Bosnien und Herzegowina, die Zentralen der UN-Unterorganisationen wie des Kinderhilfswerks Unicef oder des Flüchtlingshilfswerks UNHCR. Doch das Gros der Fahrzeuge wird von der Internationalen Polizei IPTF („International Police Task Force“) genutzt.

„Ja, die Mission der UN wird aufgelöst, und wir werden bis Jahresende Sarajevo verlassen haben,“ bestätigt Ismail Yilmaz, „Politikoffizier“ der UNO und damit Berater des amerikanischen Missionschefs Jacques Klein. Die UN-Unterorganisationen wie Unicef und der UNHCR würden aber bleiben, fügt Yilmaz hinzu.

Der energische türkische Offizier gehört zu den Fossilien der UNO in Bosnien. Schon 1993 mit den Blauhelmtruppen gekommen, machte er sogleich von sich reden. Denn Yilmaz ließ als eine der ersten Taten der türkischen Armee die katholische Kirche in der von Muslimen dominierten Stadt Zenica reparieren, die von kroatischer Artillerie beschädigt worden war. Noch heute schmunzelt er darüber: „Von uns muslimischen Türken hatte das ja niemand erwartet.“

„Den Frieden ins Land zu bringen und die Menschen zu versöhnen“ sieht er seitdem als seine Aufgabe an. Das wurde ihm im Rahmen der UNO nicht immer leicht gemacht. Auch wenn er darüber nicht redet, so weiß er doch, welch klägliche Rolle die damaligen Blauhelmtruppen in Bosnien bis hin zur Tragödie von Srebrenica gespielt haben.

„Nach dem Friedensschluss von Dayton aber wurde die Mission neu definiert“, betont der Exmilitär und weist auf die Erfolge hin. In Zusammenarbeit mit dem „Büro des Hohen Repräsentanten“ und den Truppen der „Security Force“ SFOR sei der Frieden stabilisiert worden. „Und unsere über 1.500 Polizisten haben gute Arbeit beim Aufbau der lokalen Polizei geleistet.“ Zu ihnen gehören 46 US-Polizisten, die jetzt im Streit um den Internationalen Strafgerichtshof womöglich vorzeitig abziehen müssen. Doch Yilmaz bereitet sich ohnehin darauf vor, die Erfahrungen der internationalen Polizeitruppe an 580 EU-Polizisten weiterzugeben, die – wie seit Monaten geplant – die Arbeit der IPTF übernehmen sollen. „Mit dem Streit über den Gerichtshof und dem Konflikt der USA mit der UN hat das nichts zu tun“, sagt einer seiner Mitarbeiter.

Doch so schön, wie die UN-Oberen das Bild ihrer Organisation zeichnen wollen, ist es in der Öffentlichkeit nicht. In einem scharfen Kommentar reagierte zum Beispiel der Starkolumnist Senad Avdic in der Wochenzeitung Slobodna Bosna auf die Verschwendungssucht der UN und anderer internationaler Organisationen. Den hohen Gehältern von bis zu 25.000 Dollar monatlich stünden keine entsprechende Leistungen gegenüber. Mit den 400.000 Dollar, die ein Kongress über die Armut kostete, hätte eine Volksküche tausende Menschen ernähren können.

Selbst intern gibt es starke Kritik. Michael, britischer Rechtsberater der UN, der seinen vollen Namen nicht nennen möchte, hält die gesamte Mission trotz vieler engagierter Mitarbeiter für verfehlt. „Die meisten UN-Polizisten sind nur eine halbes Jahr im Land und kennen die komplizierten Verhältnisse nicht.“ Zwar könne er die US-Politik zum Strafgerichtshof nicht begreifen und lehne sie ab. Auch freue es ihn sehr, dass die Europäer in dieser Frage geschlossen Stellung gegen die USA bezogen hätten. Doch unabhängig davon sei die UN-Mission in Bosnien zu teuer und zu wenig effektiv.

„In Sarajevo weint der UN niemand eine Träne nach“, meint auch Neven P., einer der wenigen Serben, der in einer Spezialeinheit der bosnischen Armee die Stadt gegen die serbischen Nationalisten verteidigt hatte. „Nur schade, dass viele Jobs verloren gehen“, lacht der 37-Jährige. Nach Anstellungen als Leibwächter für die SFOR und mehrere Botschaften schlägt er sich jetzt als Übersetzer durch. Ihn sorgen mehr die sich verdichtenden Gerüchte, die USA wollten ihre Truppen aus Bosnien abziehen. „Die Europäer können doch sagen, was sie wollen. Auf dem Balkan aber zählt nur die Stimme der Amerikaner. Wenn deren Armee nicht mehr hier ist, könnte es sogar wieder Krieg geben.“

Schwere Eisengitter und Betonhindernisse versperren den Eingang des US-amerikanischen Militärlagers Eagle im Dorf Dubrave bei Tuzla. Schwer bewaffnete Posten registrieren jede Bewegung. Sie sind seit dem 11. September 2001 zu noch höherer Wachsamkeit aufgerufen. Denn die US-Militärs müssen wie überall auf der Welt auch in Bosnien mit Anschlägen rechnen.

Sergeant Kanessa Myenett lächelt Besucher freundlich an. „Alles Routine, nichts Besonderes“, sagt die Endzwanzigerin. Sie verweist auf das weitläufige Areal um den früheren jugoslawischen Militärflughafen, auf dem noch 2.100 US-Soldaten stationiert sind. Von einem vollständigen Abzug der US-Truppen weiß sie nichts. „Im Juni hat die Nato die Reduzierung der Truppen in Bosnien beschlossen“, sagt die Offizierin. Dass die internationalen SFOR-Truppen von 17.000 auf rund 12.000 reduziert würden, könne sie aber nicht bestätigen. „Das ist Sache der Nato, dies wird in Brüssel entschieden. Wir machen hier nur unseren Job.“

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