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Ein Chef für einen Sommer

Regierungsquellen: Aufsichtsrat wird morgen den bisherigen Technikchef der Telekom, Gerd Tenzer, zum neuen Vorstandsvorsitzenden berufen. Erfolg des Stoiber-Wahlkampfteams?

BERLIN taz/dpa ■ Das Gezerre um eine Ablösung von Telekom-Vorstandschef Ron Sommer scheint fürs Erste entschieden zu sein. Aus verschiedenen anonymen Quellen wurde am Wochenende bekannt, dass sich der Aufsichtsrat des Unternehmens auf einen Nachfolger geeinigt hat. Demnach soll es Gerd Tenzer werden, ein Telekom-Veteran und bisheriger Vorstand für Produktion und Technik. Die Entscheidung soll morgen auf einer außerordentlichen Aufsichtsratsitzung fallen.

Damit bahnt sich eine Blamage für die Bundesregierung an. Denn der 59-jährige Tenzer gilt nur als Übergangskandidat. Mehr als zehn Kandidaten, bei denen Aufsichtsrat und Bundesregierung anfragten, hätten abgesagt, hieß es aus „gut informierten Kreisen“ in Regierung und Opposition. Angesichts der Ungewissheit hätten die zehn Belegschaftsvertreter im 20-köpfigen Aufsichtsgremium auf einer internen Lösung bestanden.

Weil die Bundesregierung direkt und indirekt noch 43 Prozent der Aktien hält und der Rest breit gestreut ist, fällt ihr die Hauptverantwortung für die Wirren um eine Entlassung Ron Sommers zu, vor allem die öffentliche Diskussion, bevor ein Ersatz gefunden war. Sommer war wegen der hohen Schulden und des fallenden Kurses der T-Aktie im Ansehen stark gesunken. In den vergangenen zwei Jahren seit dem Börsenhoch vom März 2000 verloren die mehr oder weniger kleinen Telekom-Aktionäre durch die Kursverluste etwa 250 Milliarden Euro.

Spekuliert wird nun, dass für die Indiskretionen auch die Union unter Kanzlerkandidat Edmund Stoiber verantwortlich ist. Stoiber hatte schon vor einem Monat den Telekom-Vorstand scharf angegriffen. Im Aufsichtsrat sitzen auch eher CDU-nahe Industrievertreter, deren Kritik an Sommer ohne Quellenangaben in den Medien aufgetaucht ist.

Außerdem hat angeblich der zuständige Verhandlungsführer der Bundesregierung die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat derart brüskiert, dass sie eine externe Lösung ablehnen: Es handelt sich um den beamteten Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Manfred Overhaus. Er ist ein alter Ministeriumskämpe und der einzige Staatssekretär, der noch aus Waigels Zeiten übrig blieb. Doch das sind alles Spekulationen, die Ron Sommer nicht mehr helfen. REM

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