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„Frei von Politik“

Hochbahn verwendete Straßenkarte aus Nazizeit für Werbeplakat und ist nun in Diskussion um heutigen Umgang mit Faschismus verstrickt

„Ein Stadtplan mit Straßennamen Adolf Hitlers hat eine gewisse Brisanz“

von ELKE SPANNER

Vor 90 Jahren, als die U-Bahn erstmals über Hamburger Gleise fuhr, waren die Nationalsozialisten noch nicht an der Macht. Dennoch haben die Veranstalter des „Verkehrshistorischen Tages“, der vor rund einem Monat an das Hochbahn-Jubiläum erinnern sollte, diesen mit einer Hamburg-Karte aus der Nazizeit beworben. Erst als das Plakat schon in U-Bahnschächten hing und im Internet zu betrachten war, sahen die OrganisatorInnen sich zur Auseinandersetzung mit dem historischen Dokument veranlasst. Denn eine Passantin, die die „Adolf-Hitler-Straße“ und den „Adolf-Hitler-Platz“ auf der Werbung entdeckt hatte, hat die Hochbahn angeschrieben und eine Diskussion über die zweifelhalte Plakatwahl angeregt – mit Erfolg. Nach mehreren Briefwechseln hat ein Sprecher inzwischen zumindest eingeräumt, dass ein Stadtplan mit Straßennamen Adolf Hitlers als Werbeträger „eine gewisse Brisanz“ in sich trägt.

Dem Briefwechsel liegt eine Frage zugrunde, über die in den vergangenen Jahren auch unter HistorikerInnen heftig gestritten wurde: Ob der Faschismus als Teil der deutschen Geschichte in diese eingereiht und mit der gleichen Unbefangenheit behandelt werden kann, oder eine andere Sensibilität erfordert als andere historische Epochen.

Die Veranstalter des verkehrshistorischen Tages vertreten die Auffassung, dass „die Nazizeit deutsche Geschichte und auch Verkehrsgeschichte ist“. Und Verkehrsgeschichte „betrachtet Verkehrsnetze zu allen Zeiten neutral und gibt sie dem Betrachter so wieder, wie sie war“. Auch die Aussage der Straßenkarte aus dem Faschismus sei „die Filigranität des Hamburger Verkehrsnetzes“ und mehr nicht. Diese Straßenkarte sei „außer zu den in dieser Zeit in Hamburg gebräuchlichen Straßennamen Adolf-Hitler-Straße und Adolf-Hitler-Platz von jeglicher Politik frei“. Zu verlangen, sie nicht für ein Plakat zu verwenden, würde bedeuten, „bestimmte Teile der deutschen Geschichte auszublenden“.

Die Hamburgerin, die die Diskussion entfachte, ist da anderer Meinung. Ein Ausblenden der Bedeutung des Faschismus innerhalb der deutschen Geschichte sieht sie gerade darin, „Dokumente aus der Nazizeit unkommentiert zu verwenden“. Es sei Ausdruck einer Gewaltherrschaft, wenn Straßen nach bestimmten Führern benannt werden. Das Plakat für den Verkehrshistorischen Tag stelle diese Zeit in einen harmlosen Zusammenhang: „Auch durch Adolf Hitlers Straßen sind die schönen alten Züge gerattert“, spitzt sie ihre Empfindungen beim Betrachten des Plakates zu.

Während der Nazi-Diktatur, schreibt sie weiter, „war jedes bisschen Alltag ideologisch besetzt, auch der Verkehr“. Die damalige Stadtplanung habe die Größe des „Dritten Reiches“ überall repräsentieren sollen. Im Übrigen gäbe es nicht nur die beiden Möglichkeiten, derartige historische Dokumente entweder unkommentiert in einen sachfremden Zusammenhang zu stellen oder die geschichtliche Epoche totzuschweigen. In diesem Fall hätte die Lösung schon darin gelegen, für ein 90-jähriges Jubiläum einen Stadtplan aus dieser Zeit zu verwenden.

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