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Zahlen der Wahlen

Arbeitslosigkeit steigt und steigt: Dass Hamburg so viele Dienstleistungen hat, wird jetzt zum Nachteil. Betroffen sind vor allem Angestellte, darunter auch Akademiker. Die Politiker geben sich daran gegenseitig die Schuld – ist ja auch Wahlkampf

von SANDRA WILSDORF

Die Konjunkturlokomotive stottert und qualmt, aber sie springt nicht an. Und so steigt und steigt die Arbeitslosigkeit. In Deutschland – und auch in Hamburg und Schleswig-Holstein. Gestern legte das Arbeitsamt Nord die Zahlen für den Juli vor: Demnach waren Ende des Monats 79.300 Hamburger ohne Job, das entspricht einer Arbeitslosenquote von 9,2 Prozent. Das sind 2,7 Prozent mehr als im Juni und sogar über 13 Prozent mehr als im vorigen Jahr um diese Zeit. Besonders Angestellte sind von dem Anstieg betroffen, darunter auch viele Akademiker.

In Schleswig-Holstein liegt die Quote bei 8,7 Prozent, gegenüber dem Vorjahresmonat nahm die Zahl der Arbeitslosen um knapp 5 Prozent zu. Besonders betroffen ist dabei der Hamburger Speckgürtel, beispielsweise der Kreis Segeberg mit knapp 13 Prozent Plus gegenüber Juli 2001.

Nun nimmt die Zahl der Arbeitslosen im Sommer grundsätzlich zu, denn ein Quartal ist zu Ende, Schulen und Ausbildungen enden, weshalb es mehr Jugendliche unter den Arbeitslosen gibt. In Hamburg ist jetzt jeder Zehnte der unter 25-Jährigen ohne Job. In der Hansestadt steigt die Arbeitslosigkeit in diesem Sommer jedoch deutlicher als in den vergangenen fünf Jahren.

Politiker gaben gestern einander die Schuld an der Krise: Auf Bundesebene die CDU Rot-Grün, in Hamburg GAL und SPD dem Schwarz-Schill-Senat. So kritisiert Anja Hajduk, GAL-Landesvorsitzende und grüne Spitzenkandidatin: „Die Talfahrt auf dem Hamburger Arbeitsmarkt ist bedenklich und lässt sich nicht mit dem Verweis auf die bundesweite Statistik erklären.“ Der Anstieg der Arbeitslosigkeit um 13,3 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Vorjahresmonat (unter Rot-Grün) ist doppelt so hoch wie im Bund und „steht in fatalem Widerspruch zu den vollmundigen Ankündigungen des Ersten Bürgermeisters von Beust, alles besser machen zu können“. Dass Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) im nächsten Haushalt die Arbeitsmarktmittel um weitere 13 Millionen Euro kürze, sei Zynimus gegenüber den Jobsuchenden.

Dessen Staatsrat Volker Schlegel sorgt sich vor allem darüber, dass die Unternehmen so zögerlich einstellen. „Es muss etwas dafür getan werden, damit die Unternehmen wieder Jobs schaffen.“ Dafür bräuchten sie mehr Flexibilität, und die sei nicht allein in Hamburg zu schaffen.

Der SPD-Landesvorsitzende Olaf Scholz beobachtet seit dem Regierungswechsel in Hamburg einen kontinuierlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit und fordert Uldall auf, dem nicht länger tatenlos zuzuschauen. Sein Parteikollege Ingo Egloff bezeichnet das Hamburger Modell als „Flop“ und fordert „endlich Taten statt hohler Phrasen“.

Schuld an der in Hamburg besonders schlechten Lage ist die „Dienstleistungslastigkeit“, wie es Knut Böhrnsen, Sprecher des Arbeitsamtes, ausdrückt. Was lange ein Vorteil war, wird nun zum Nachteil. Denn betroffen von der konjunkturellen Krise sind vor allem Handel, Verlage, Verkehr und Neue Medien. „Da ist selbst die gut ausgebildete Bürokauffrau nicht mehr vor Arbeitslosigkeit sicher.“ Und auch der IT-Bereich, der eine Weile alle Arten von Akademikern aufgesogen hat, „sucht jetzt gezielt nach Fachkräften“. Das Nachsehen haben die Autodidakten. Böhrnsen rät, „sich rechtzeitig auf den Weg zu machen“. Sobald sich andeute, dass in einigen Monaten Entlassungen anstehen: „Rein in die Bewerbung.“ Denn Anbieten sei besser als Suchen. Und: „Der Arbeitsmarkt hat nach wie vor eine Dynamik.“

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