: Bauchmuskeln in Acryl
Im Schwulen Museum zeigt die französische Künstlergruppe „Passage à l’acte“ mit der Ausstellung „C’est mon homme“ nackte Männer mal als Bronzeplastik und mal in der Glasflasche gefangen. Immer geht es dabei um das eine: den perfekten Körper
von AXEL SCHOCK
Das Klischee will es, dass schwule Kunst immer nur das eine zeigt: nackte Kerle, muskulös und gut gebaut, kraftstrotzend und willig. In diesem Sinne ist dies, was die Pariser Künstlergruppe „Passage à l’acte“ derzeit in Schwulen Museum zeigt, tatsächlich schwule Kunst. Die Motivlage ist eindeutig. Die 15 Fotografen, Maler, Zeichner und Bildhauer haben sich kein schlichteres Sujet als den Männerakt für diese eigens für Berlin zusammengestellte Schau gewählt.
„C’est mon homme“ heißt programmatisch die Ausstellung, frei nach einem Chanson von Minstinguette betitelt. Wie viele Möglichkeiten gibt es noch nach der Schwemme von fotografischen Männerakten, die seit den 80er-Jahren sich über uns ergossen hat und schließlich konsequent in Calvin-Klein- und Cliff-Duschgel-Werbeclips mündete? Welche Reize kann die Kunst dem Männerkörper entlocken – gerade wenn man ihn definitiv erotisch besetzt –, ohne wieder beim Pin-up oder der banalen, kunstgewerblichen Waschbrettoberfläche von Men’s Health und Hochglanzwerbung zu landen?
Die Pariser Künstler, die sich vor rund vier Jahren nach einer Einladung zu einer Ausstellung ebenfalls im Schwulen Museum zu einer festen Künstlerinitiative zusammengeschlossen hat, huldigt ganz unverhohlen dem so genannten perfekten Körper. Ob als Bronzeplastik oder Acrylmalerei: Wer zählt die Bauchmuskeln, die hier mit Sorgfalt für die Ewigkeit und gegen jeglichen natürlichen Verfall in der Kunst bewahrt werden? Lediglich die unterschiedlichsten Techniken bewahren die viele der gezeigten Arbeiten vor der Banalität durch Gleichförmigkeit des Motivs – seien es überarbeitete Polaroids, digital auf Transparentfolie vergrößerte wie vergröberte Detailaufnahmen oder geometrisch zerteilte und nachkolorierte Schwarz-Weiß-Fotos.
Die Modelle in Jean-Marc Plassards figurativen Gemälden zeigen in stolzen Posen ihre durchdeklinierten Sixpacks, die er mit scharfen Konturen und harten Farbflächen wiedergegeben hat. Ein bisschen wirken diese Akte nun wie diese „Malen nach Zahlen“-Bilder. Jedenfalls höchst dekorativ. Ein völliger Kontrast dazu die Arbeiten des Franco-Algeriers Bruno Perroud. Sein Modell ist ein glatzköpfiger massiger Mann. Gezeichnet mit Kohle, Rötel und Pastellkreide auf marmorierten Pergamentpapier ganz in der Tradition des 19. Jahrhunderts.
Weit mehr als nur eine kunstgeschichtliche Reverenz hingegen die Montagen von Daniel Nassoy. Er retuschiert in seinen Schwarz-Weiß-Aufnahmen seine Kerle kurzerhand in Glasflaschen und lässt die Gefangenen melancholisch-sehnsüchtig ins Leere blicken. Von den surrealen Traumwelten, wie sie ganz ähnlich Man Ray oder insbesondere George Platt Lynes in seinen Aktaufnahmen geschaffen haben, sind diese Bilder allerdings weit entfernt. Origineller dafür die großformatige Fotoserie von Pascal Valu. Viele Momente, kurz bevor die kleine Katastrophe im Haushalt passiert. Selber schuld, wer auch unbedingt nackt mit der Friteuse in der Küche herumwerkelt oder auf dem Tritthocker balancierend die Glühbirne auswechselt.
Bis 28. 10., Schwules Museum, Mehringdamm 61, tägl. außer Di., 14–18 Uhr, Sa. 14–19 Uhr. Samstags 17 Uhr Führungen. Internet: www.schwulesmuseum.de und www.passagealacte.com
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