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Gutes Klima nur in den Akten

Das Elbhochwasser ist auch eine Folge von Klimaveränderungen. Der Senat hat viele gute Gegenkonzepte in der Schublade. Umgesetzt werden sie jedoch nicht, kritisieren Umweltpolitiker

von DANIEL SCHULZ

Theoretisch super, praktisch dürftig. Der Berliner Senat engagiert sich aus Sicht von Experten und Grünen nur auf dem Papier für einen wirksamen Klimaschutz. „Besonders vor dem aktuellen Hintergrund des Hochwassers sind die Ansätze im Senat zwar vielversprechend, zu vieles davon ist aber einfach nicht umgesetzt“, sagt Carmen Schultze vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Schultze vermisst unter anderem das Engagement des rot-roten Senats bei der Verkehrspolitik.

Der hat sich in Berlin auf die Fahnen geschrieben, den CO2-Ausstoß um ein Viertel zu drosseln. „Schon sehr engagiert, das Ganze, aber warum wird dann der öffentliche Personennahverkehr nicht noch mehr gefördert?“, fragt Schultze. Straßen müssten verstärkt für Fahrräder und Fußgänger umgebaut werden. Damit würde die Zahl der Autos und damit der Schadstoffausstoß verringert. Gleiches bewirke ein Ersatz von Bussen durch Straßenbahnen. „Nicht einmal die stadteigenen Fahrzeuge bei BVG und Wasserwerken sind schadstoffarme Modelle“, bemängelt die BUND-Expertin. Das sei wohl nicht richtig zu erklären. Bei der Senatsumweltveraltung gab es gestern jedenfalls niemanden, der das konnte.

Auch bei der Energiepolitik schleift es. „Zwar gibt es ein Gesetz über die Förderung erneuerbarer Energien, aber das wird nicht umgesetzt“, sagt die umweltpolitische Sprecherin der Grünen, Felicitas Kubala. Mit diesem 1995 beschlossenen Gesetz wollte der Senat sicherstellen, dass jedes neu gebaute Haus eine Solaranlage bekommt.

„Eingehalten wurde das nie. Stattdessen hat zwar die Industrie eine Selbstverpflichtung unterschrieben, in der sie verspricht, die entsprechenden Solaranlagen selbst zu bauen. Doch auch daraus ist bis heute nichts geworden“, ärgert sich Holger Rogall (SPD). Er war der umweltpolitische Sprecher einer Enquetekommission für Nachhaltigkeit, die bis zur Wahl des rot-roten Senats existierte. „Was wir in Sachsen jetzt sehen, haben Kommission und andere Wissenschaftler schon lange prognostiziert“, sagt Rogall. „Klimaveränderung ist eine der Hauptursachen für diese Fluten. Und dennoch tut der Berliner Senat nichts.“ Allerdings hatte auch seine Kommission keine konkreten Klimaschutzmaßnahmen zustande bekommen. Die Schuld gibt Rogall insbesondere der CDU; mit der sei nicht zu reden gewesen.

„Auch hier wurde zu lange nutzlos Papier produziert, erst während des rot-grünen Übergangssenates gab es erste Ergebnisse“, sagt Kubala. So forderte die Kommission, dass 40 Prozent des Berliner Stroms aus Kraft-Wärme-Kopplung kommen müssten. „Gemacht wurde das nie“, kritisiert Rogall.

Seine Kommission steht derzeit offenbar auf der Abschussliste des Senats. „Ich glaube nicht, dass wir sie noch mal wollen“, hieß es gestern aus der SPD-Fraktion. „Wir untersuchen mit allen Parteien noch mal, was wirklich rausgekommen ist“, formulierte der umweltpolitische Sprecher der SPD, Daniel Buchholz, etwas freundlicher. „Denn wir brauchen konkrete Maßnahmen und keine Argumente, die schon oft ausgetauscht wurden.“

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