IN DER CHINESISCHEN KP TOBEN PERSONELLE UND IDEOLOGISCHE KÄMPFE: Demokraten kontra Autokraten
Eigentlich ist die Nachfolge des chinesischen Partei- und Staatschefs Jiang Zemin seit zehn Jahren geklärt. Schon 1992 hatte der bis zu seinem Tod im Jahr 1997 unumstrittene Parteipatriarch Deng Xiaoping das Nachwuchstalent Hu Jingtao in den ständigen Ausschuss des Politbüros, Chinas höchstes politisches Entscheidungsgremium, wählen lassen. Aufgrund der informellen Regelung, dass politischen Führern nach Überschreiten des 70. Lebensjahrs keine Mandatsverlängerungen zustehen, schien der Führungswechsel vom 73-jährigen Jiang zum 59-jährigen Hu auf dem bevorstehenden 16. Parteitag der KP in diesem Herbst eine ausgemachte Sache zu sein.
Doch jetzt kommt noch einmal Spannung auf, ob das von Deng weitsichtig geplante Nachfolgesystem noch funktioniert. Unerwartet haben die Kommunisten ihren Parteitag, glaubt man westlichen Diplomaten in Peking, von dem bereits anvisierten Termin im September auf Anfang November verschoben. Das deutet, wenn wohl noch nicht auf eine innere Spaltung der Partei, so doch auf harte personelle und ideologische Auseinandersetzungen im Kreis der engsten Parteiführung. Zumal nun die Gerüchte Nahrung erhalten, denen zufolge sich Jiang gegen seinen Rücktritt wehrt.
Wahrscheinlich aber ist das nicht. Da Jiang auch nach Niederlegung seiner übrigen Ämter aller Voraussicht nach den Vorsitz der mächtigen Militärkommission behält, geht es im Pekinger Machtkampf weniger um seine Person als um den bislang unangefochtenen Einfluss seiner „Schanghai- Fraktion“. Gegen sie scheint sich eine jüngere Gruppe um Hu mit den Anhängern des amtierenden Premiers Zhu Rongji verbündet zu haben, die einen schnelleren Reformkurs befürworten. Zhu hat sich in der Vergangenheit als einer der wenigen chinesischen Führer wiederholt öffentlich für mehr Demokratie ausgesprochen. Auf dem 16. Parteitag wollen seine Anhänger für den Ausbau der in den letzten Jahren eingeführten Dorfwahlen eintreten. So könnte es jetzt doch noch um mehr als die Wachübergabe an der Parteispitze gehen – um politische Reformen. GEORG BLUME
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