piwik no script img

Berliner Wirtschaftsprüfer im Visier

Bilanzprüfungsunternehmen sollen bei der Bankgesellschaft Berlin falsch testiert und ungenügend gearbeitet haben. Der mehrheitlich landeseigene Konzern konnte anschließend nur durch öffentliche Milliardenhilfen vor der Pleite gerettet werden

aus Berlin RICHARD ROTHER

Der Berliner Bankenskandal weitet sich zu einem handfesten Bilanzskandal aus, in den offenbar immer mehr namhafte Wirtschaftsprüfungsunternehmen verwickelt sind. Nachdem die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO in der vergangenen Woche in Verdacht geraten war, die Jahresabschlüsse der Immobilientochter der Bankgesellschaft Berlin wissentlich falsch testiert zu haben, sind nun auch die KPMG und die PWC in die Kritik gekommen. Beide Unternehmen sollen nicht zur vollen Zufriedenheit der staatlichen Bankenaufsicht (BAFin) gearbeitet haben. Dies habe eine BAFin-Vertreterin in einer nichtöffentlichen Sitzung des Berliner Untersuchungsausschusses deutlich gemacht, berichtet das Handelsblatt unter Berufung auf Ausschussmitglieder. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss soll Licht in das Dunkel der milliardenschweren Berliner Bankenaffäre bringen. In dem Gremium sitzen Parlamentarier der Oppositionsfraktionen CDU, FDP und Grünen sowie der Berliner Regierungskoalition von SPD und PDS.

Die Bankenaufsicht habe die BDO nach Angaben von Ausschussmitgliedern bereits seit geraumer Zeit im Blick, hieß es. Auch in anderen Fällen habe es schon „mangelhafte Prüfungsleistungen“ der BDO gegeben. Bei der Bankgesellschaft sei das BAFin zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bilanzierungsmethode, die deren Tochter IBG angewendet hatte und die BDO als zulässig testiert hatte, nicht zulässig gewesen sei. Das BAFin habe damit die Sonderprüfung des Experten Achim Walther von 1997 bestätigt. Aus diesem Grund erhalte BDO vom BAFin keine Sonderprüfungsaufträge mehr.

Die BDO wies die Anschuldigen als „nachweisbar jeglicher Grundlage“ entbehrend zurück. Die Vorgänge würden im Moment sorgfältigst untersucht. Walther hatte bereits 1997 vor erheblichen Risiken gewarnt, die im Immoblienfondsgeschäft der Bankgesellschaft steckten. Solche Risiken sollen nach Ansicht des BAFin auch von den Prüfungsgesellschaften KMPG und PWC ungenügend berücksichtigt worden sein, die ebenfalls für die Bankgesellschaft arbeiteten.

Das Versagen der Wirtschaftsprüfer hatte weitreichende Konsequenzen: Die riskanten Immobilienfondsgeschäfte haben den Berliner Bankenkonzern, der 1994 aus öffentlich-rechtlichen und privaten Geldinstituten der Haupstadt geschaffen worden war, nämlich an den Rand des Ruins gebracht. Der mehrheitlich landeseigene Konzern, der mit den für Anleger besonders lukrativen, weil nahezu risikolosen Fonds schnell zum Marktführer im bundesdeutschen Immobilienfondsgeschäft aufsteigen wollte, konnte nur durch eine Finanzspritze des Landes in Höhe von 1,75 Milliarden Euro vor dem Aus gerettet werden. Zudem übernahm das Land Berlin in diesem Jahr eine Bürgschaft für die verlustreichen Immobilienfonds – in Höhe von bis zu 21 Milliarden Euro. Die Bankgesellschaft erwägt nun Schadensersatzforderungen gegen die Wirtschaftsprüfer.

Der Schaden, für den die Berliner Bevölkerung in den nächsten 30 Jahren aufkommen soll, ist damit in seiner Dimension mit dem Schaden der Flutkatastrophe vergleichbar. Nur dass das Berliner Desaster eben vorhersehbar war. In der Hauptstadt fragt man sich deshalb, wer wann von den Risiken erfahren und nicht entsprechend gehandelt hat. Schließlich saßen in den Aufsichtsräten der Bankgesellschaft und ihrer Töchter Politiker der großen Koalition – darunter die ehemaligen Finanzsenatoren Annette Fugmann-Heesing (SPD) und Peter Kurth (CDU). Wegen der Bankenkrise war die große Koalition vor einem Jahr zerbrochen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen