: Böse Bruchlandung
Hamburger Rechts-Koalition verliert dramatisch an Sympathien. Umfrage ergibt absolute Mehrheit für Rot-Grün. Schill verliert die Hälfte seiner Stimmen, nur CDU legt zu. Auch liberale Wähler sehr unzufrieden: FDP unter der Fünf-Prozent-Hürde
von SVEN-MICHAEL VEIT
Ein knappes Jahr nach der Hamburger Bürgerschaftswahl vom 23. September steht Schwarz-Schill vor einem politischen Trümmerhaufen. Nur noch 46 Prozent der HamburgerInnen würden erneut das Rechts-Bündnis wählen, wenn am Sonntag Bürgerschaftswahl wäre, Rot-Grün würde mit 51 Prozent eine klare absolute Mehrheit erhalten. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage, welche das Meinungsforschungsinstitut Emnid im Auftrag des Springer-Blatts Welt durchführte (siehe Kasten unten).
Danach würde die Hamburger CDU zwar deutlich zulegen (+5,8%), ihre Koalitionspartner würden aber doppelt so viel verlieren. Die FDP könnte mit vier Prozent nicht erneut ins Landesparlament einziehen, die Schill-Partei legt eine böse Bruchlandung hin: Sie verlöre mit einem Minus von 9,4 Prozent erdrutschartig die Hälfte ihrer WählerInnen. SPD und GAL würden demgegenüber um zusammen fünf Prozent deutlich zulegen können. Vergleichbare Kräfteverhältnisse ergeben sich im Hinblick auf die Bundestagswahl in knapp zwei Wochen, nach der ebenfalls gefragt wurde.
Die Werte für die Parteien der Rechts-Koalition korrespondieren mit den Bewertungen der einzelnen Senatsmitglieder. Die politischen Schwergewichte der Union, Wirtschaftssenator Gunnar Uldall und Finanzsenator Wolfgang Peiner, erfahren beträchtliche Resonanz; unangefochtener Spitzenreiter aber ist erwartungsgemäß Bürgermeister Ole von Beust mit einer für solche Umfragen respektablen Zustimmungsnote von +1,4.
Abgeschlagen landen die prominentesten Vertreter der Koalitionspartner FDP und Schill-Partei auf den letzten Plätzen: FDP-Bildungssenator Lange mit -0,7 knapp vor Schill-Verkehrssenator Mettbach mit -0,9. Schlusslicht ist Ronald Schill selbst: Der Rechtspopulist wird mit -1,8 regelrecht abgestraft. Damit werden von den HamburgerInnen gerade die Senatsmitglieder zu Versagern erklärt, welche für die drei wichtigsten Wahlkampfthemen der Rechts-Koalition zuständig sind: Bildung, Verkehr und Innere Sicherheit.
Äußerst bemerkenswert sind zwei weitere Ergebnisse: 57 Prozent der Befragten finden, dass Hamburg „nicht sicherer geworden ist“. Und den Liberalen steht eine Zerreißprobe bevor: 42 Prozent der FDP-WählerInnen sind mit dem Senat unzufrieden, und sogar 31 Prozent bejahen die Frage, ob „ein politischer Wechsel in Hamburg nötig“ sei.
Kein Wunder, dass die Reaktionen auf diese Umfrage sehr gespalten sind. Das Regierungslager hüllte sich gestern vornehmlich in Schweigen. Das sei „eine Momentaufnahme“, man dürfe das „nicht überbewerten“, lauteten die Relativierungsversuche. Schill erklärte sein schlechtes Ergebnis damit, dass er „nun mal eine polarisierende Person“ sei.
Eitel Freude herrschte hingegen bei denen, die vor weniger als einem Jahr in die Opposition geschickt wurden. Das sei ein „Denkzettel für die Rechtsregierung“ befanden die Grünen, „die Koalition hat abgewirtschaftet“, folgerten die Roten. SPD-Fraktionschef Uwe Grund sah in der Umfrage die Quittung für eine Regierung „der leeren Worte und gebrochenen Wahlversprechen“; sein Parteichef Olaf Scholz diagnostizierte Enttäuschung der WählerInnen über „eine traurige Regierungsbilanz“. Während „Schill den ganzen Senat in die Tiefe zieht“, würden „die Menschen der SPD ihre Neupositionierung in wichtigen Politikfeldern glauben“, glaubt Scholz zu wissen.
Ein „vernichtendes Zeugnis für eine desaströse Politik“ attestierte GAL-Parteichefin Anja Hajduk. Die Grünen hingegen seien wieder „zweistellig“ und könnten bei der Bundestagswahl sogar besser abschneiden als vor vier Jahren. Rot-Grün im Bund und in Hamburg, freute sich Hajduk, sei „wieder im Aufwind“.
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