: Nadeln zum „Palast des Kindes“
Traditionelle chinesische Medizin in der Geburtshilfe: Studien belegen, dass eine wöchentlich durchgeführte Akupunktur in den letzten Wochen vor der Geburt den Verlauf positiv beeinflusst. Sie ist schmerzärmer und schneller
Der Einsatz von Akupunktur und chinesischer Phytotherapie in der Geburtshilfe ist nicht neu. Viele Hebammen kennen sich aus mit der Kunst des Nadelns und setzen diese Methode nicht nur zur Schmerzlinderung unter der Geburt, sondern auch während der Schwangerschaft und im Wochenbett gegen verschiedene Beschwerden ein.
Mehrere klinische Studien belegen, dass eine wöchentlich durchgeführte Akupunkturbehandlung in den letzten vier Wochen vor der Geburt den Geburtsverlauf positiv beeinflusst. Die Geburt verläuft schmerzärmer und schneller.
Durch den insgesamt harmonischeren Verlauf können die Frauen sich besser entspannen und brauchen weniger Schmerzmittel. Ein wesentlicher Akupunkturpunkt am kleinen Zeh hat direkten Einfluss auf den „Palast des Kindes“, die chinesische Bezeichnung der Gebärmutter. Wenn die Frauen darauf eingestellt seien, empfänden sie die Einstiche der Nadeln auch nicht als unangenehm, so Claudia Ehle. Die Ärztin ist Spezialistin für traditionelle chinesische Medizin (TCM) in der Frauen- und Kinderklinik Westend.
TCM versteht den Menschen als Verdichtung von Energetischem, wozu auch Emotionen und Körperfunktionen gehören. Es gelte also, so Ehle, „die Disharmonien des Körpers aufzuspüren“ und gewissermaßen wieder zurechtzurücken.
Geburtseinleitung, Entspannung und Schmerzlinderung, Wehenkoordination und die Ablösung der Plazenta können durch Akupunktur positiv beeinflusst werden. Auch übermäßiges Erbrechen in der Schwangerschaft oder Probleme wie etwa verzögerte Milchbildung werden behandelt.
Eher längerfristig kommen chinesische Kräuter- oder Teemischungen zum Einsatz. Sie werden individuell gemixt, was eine sehr umfangreiche und aufwändige Diagnose voraussetzt. „Viele der klassischen Rezepturen sind mehrere tausend Jahre alt“, erklärt Claudia Ehle. „Man weiß demnach, welche Kräuter bei welchen Beschwerden gut wirken.“ Für den spontanen Einsatz während der Geburt seien die Mixturen eher ungeeignet, doch für viele spezifische Erkrankungen in der Schwangerschaft wie Ödeme und Erbrechen seien sie ebenso hilfreich wie bei schlichten Erkältungen.
Auch die Moxibustion nutzt die Heilkraft der Pflanzen. Eine aus dem Beifußkraut Artemisia gerollte Matte, die so genannte Moxa-Zigarre, wird angezündet und in geringem Abstand zur Haut gehalten. Stimuliert werden bestimmte Akupunkturpunkte – jedoch nicht mit Nadeln, sondern durch Wärme und Duft. In der Geburtshilfe kommt Moxibustion zum Einsatz, um das Kind im Mutterleib in die günstigste Startposition – in die Schädellage – zu wenden. KAJA
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen