: Baustopp für deutsche Flüsse
Nationale Flusskonferenz legt Fünf-Punkte-Papier zum Hochwasserschutz vor. Gewässer sollen wieder mehr Überschwemmungsflächen bekommen. WWF befürchtet Wahlkampffloskeln
von MATTHIAS SPITTMANN
Allein fünf Bundesminister haben sich am Wochenende zur „gemeinsamen Konferenz zum vorbeugenden Hochwasserschutz – Flusskonferenz“ nach Berlin begeben. Unter dem Motto „Wer die Natur mit Füßen tritt, braucht verdammt hohe Gummistiefel“ wurden sie dort von Aktivisten der Umweltstiftung WWF mit einem drei Meter hohen Gummistiefel begrüßt.
Nachdem am Freitag bereits der Bundestag eine Überprüfung des Elbe-Ausbaus und die Entwicklung eines umweltverträglichen Gesamtkonzeptes gefordert hatte, legte die Bundesregierung auf der Flusskonferenz ein Fünf-Punkte-Programm zum Hochwasserschutz vor.
Verkehrs-, Umwelt-, Verbraucher-, Innen- und Wirtschaftsministerium einigten sich gestern auf ein Konzept. Es sieht vor, den Flüssen wieder mehr Überschwemmungsflächen zu geben. Dazu soll auch Acker- in Grünland umgewandelt und sollen Deiche zurückverlegt werden. Daraus folgende Nachteile für Landwirte sollen durch EU-Förderprogramme ausgeglichen werden. Künftig soll es auch keine neuen Wohn- und Gewerbegebiete mehr in Überschwemmungsgebieten geben. Gewässerbegradigungen und Uferbefestigungen sollen in Einzelfällen rückgängig gemacht werden.
Bis zur Vorlage des neuen Bundesverkehrswegeplans Anfang 2003 sollen zudem keine Flüsse mehr ausgebaut werden. Das betrifft vor allem die Elbe. Es gehe darum, „die Schifffahrt umweltfreundlich weiterzuentwickeln“, heißt es in dem Text.
Für Streit sorgen dürfte die Forderung, die Kompetenzen des Bundes im Hochwasserschutz auszuweiten. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) schlug eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes vor, Innenminister Otto Schily die Schaffung eines Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Das Angebot an Sachsen, für die Auszahlung der Hochwasserhilfe Bundeswehrexperten zu entsenden, geht bereits in diese Richtung.
Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) kritisierte die Konferenz als „durchsichtiges Wahlkampfmanöver“. Auch die WWF-Aktivisten befürchten, dass das Treffen vor allem mit der Bundestagswahl zu tun hat. Die Umweltstiftung warnte vor Aktionismus beim Wiederaufbau an der Elbe. Die Hochwassergefährdung müsse bei der Bauleitplanung der Kommunen verstärkt berücksichtigt werden. Die Gemeinden sollten den Menschen, die bei der Flut Haus und Hof verloren haben, helfen, indem sie Betroffenen im Austausch für ihre ufernahen Grundstücke höher gelegene Bauplätze anbieten. Nur so könne sichergestellt werden, dass bei dem nächsten Hochwasser nicht wieder alles verloren geht.
Unterdessen sammeln die Minister Otto Schily und Hans Eichel für die Fluthilfe auf ganz besondere Art: Noch bis Mittwochfrüh 8 Uhr werden unter der Adresse www.zoll-auktion.de 210 Gastgeschenke an die Bundesregierung versteigert. Der Erlös kommt den Flutopfern zugute, ein Begleitschreiben bestätigt die Echtheit des Staatsgeschenks.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen