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Kaffeegenuss auf Kosten der Armen

Massiver Preisverfall für Rohkaffee ruiniert Existenz von Kaffebauern. Oxfam startet weltweite Rettungskampagne

BERLIN taz ■ Wer ein Paket Kaffee in seinen Einkaufsladen packt, bezahlt nur zehn Prozent für die Bohnen. Die Preise für Rohkaffee sind so niedrig wie seit 30 Jahren nicht mehr. 90 Prozent des Verkaufserlöses wird an Zwischenhändler, Transporteure, Lagereien, Röstereien und die Verpackungsindustrie verteilt. Vor zehn Jahren konnten die Kaffeebauern noch ein Drittel des Endpreises für sich verbuchen.

„Die großen Kaffeekonzerne streichen riesige Profite ein, während 25 Millionen Kaffeebauern vor dem Ruin stehen“, sagte Paul Bendix von Oxfam gestern in Berlin. In der vietnamesischen Provinz Dak Lak erzielen die Produzenten nur 60 Prozent ihrer Kosten. Hier, aber auch in Honduras und Äthiopien könnten sie ihre Grundnahrungsmittel nicht mehr bezahlen. „Die Situation ist schizophren: Menschen arbeiten in der Landwirtschaft und hungern“, fasste Verbraucherschutzministerin Renate Künast zusammen.

Grund für den Preisverfall ist ein riesiges Überangebot an Rohkaffee nicht zuletzt aufgrund der Förderpolitik der Weltbank, aber auch deutscher Entwicklungshilfe. Zugleich kommt immer mehr minderwertiger Kaffee auf den Markt, der dem Verbraucher dank neuer Röstverfahren untergeschoben werden kann. „Was früher als Abfall aussortiert wurde, erhöht heute die Angebotsmenge“, so Bendix.

Gestern startete Oxfam deshalb eine weltweite Kampagne unter dem Titel „Kaffee-Rettungsplan“. Ziel ist, die Rohstoffpreise zu heben und anschließend wieder zu stabilisieren. Als ersten Schritt schlägt Oxfam die Vernichtung von fünf Millionen Sack minderwertigem Kaffee vor. Die Kosten veranschlagt Oxfam auf 100 Millionen Dollar – den Nutzen für die Produzenten auf 700 bis 800 Millionen, weil die Kaffeepreise nach der Aktion deutlich steigen dürften. Zugleich sollten sich die Händler verpflichten, künftig nur qualitativ guten Kaffee zu kaufen. Schließlich soll ein Fonds eingerichtet werden, der Kleinbauern die Umstellung auf andere Anbauprodukte ermöglicht.

Doch auch die fünf großen Kaffeekonzerne müssten in die Pflicht genommen werden, so Oxfam, Kraft, Sara Lee, Procter & Gamble, Nestlé und Tchibo kaufen nahezu die Hälfte der weltweiten Kaffeeernte auf. Oxfam drängt darauf, dass die großen Kaffeeröstereien sich ab sofort verpflichten, den Produzentinnen zumindestens für zwei Prozent ihrer Ware „faire“ Preise zu zahlen. Wie Jorge Barralaga von der Frente Solidario, einem Zusammenschluss von etwa 50.000 Kleinbauern in Lateinamerika berichtete, verdienen die Kaffeebauern etwa 2,75 Dollar für ein Kilo Rohkaffee, wenn sie an faire Kaffeehändler verkaufen; der übliche Preis liege bei einem Dollar. Ihren gesamten Bedarf zu „fairen“ Bedingungen importieren heute schon Firmen wie gepa oder Mitka. Nestlé habe immerhin Gesprächsbereitschaft signalisiert. „Es geht hier auch um Politik mit dem Einkaufskorb“, sagte Künast. Assoziieren die Verbraucher mit ihrer Tasse Kaffee nicht Genuss, sondern Hungernde, könnte der Einkaufspreis zu einer Imagefrage werden. ANNETTE JENSEN

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