: Hexensabbat an den deutschen Börsen
Heute laufen wichtige Fristen an der Börse ab. Weitere Kursschankungen erwartet. DAX auf Tiefststand seit 1997
BERLIN taz ■ An der Börse toben zurzeit weder Bulle noch Bär, dafür tanzen die Hexen. Für heute wird gar ein dreifacher „Hexensabbat“ erwartet. So werden im Börsenjagon Tage bezeichnet, an denen Wetten auf steigende Aktienkurse zu Ende gehen, also etwa Futures oder Optionen. Heute laufen gleich drei solcher Wettarten ab, auf den Deutschen Aktienindex (DAX) insgesamt sowie auf einzelne Aktien. Dabei kommt es oft zu starken Kursschwankungen, weil die Börsianer versuchen, die Kurse ihrer Aktien nach oben zu drücken. Schließlich will jeder seine Wette gewinnen.
So stieg der DAX gestern zunächst auf über 3.100 Punkte, um dann erneut bis nahe auf die 3.000er-Marke abzufallen, die er bereits vorgestern fast durchbrochen hätte. Damit liegen die Aktienkurse auf ihrem niedristen Stand seit Februar 1997. Der Nemax, Index der Aktien am Neuen Markt, sank auf unter 400 Zähler. Zu den Hochzeiten vor zweieinhalb Jahren hatte er bei 9.000 Punkten gelegen.
Neben der Erwartung eines Hexensabbats für den heutigen Freitag drückt nach wie vor die allgemein schlechte Stimmung wegen schlechter Konjunkturprognosen und der Irakkrise auf die Kurse. Der Chefsvolkswirt der Commerzbank, Ulrich Ramm, spricht von „panischen, teilweise misstrauischen Reaktionen“ der Anleger, die „ökonomisch fundamental“ schon gar nicht mehr zu begründen seien.
Obendrein ist in dieser Woche ein weiterer Grund zur Besorgnis aufgetaucht: Banken, darunter auch die ganz großen, klagen vermehrt über faule Kredite. Der amerikanische Finanzriese JP Morgan kündigte am Donnerstag an, er werde diesen Herbst seine Gewinnprognose verfehlen, ja sogar knapp an den roten Zahlen vorbei schrammen. Im zweiten Quartal 2002 hatte die zweitgrößte US-Bank – nach der Citybank – noch 1,2 MIlliarden Dollar Gewinn verbucht. JP-Morgan-Chef William Harrison führt das schlechte Ergebnis auf steigende Kreditausfälle und auf stark gesunkene Handelseinnahmen zurück. Vor allem Kabel- und Telekomunternehmen hätten Schwierigkeiten, ihre Kredite zurückzuzahlen. Vor allem diese Branche war es, die sich im Kauf- und Fusionsrausch vor zwei Jahren besonders schnell und hoch verschuldet hatte – Internet, Handy und neue Technologien versprachen damals unversiegbare Gewinnquellen.
Auch die Aktien der Versicherungen verlieren an Wert – und tragen gleichzeitig selbst zum Kursverfall bei: Weil die Allianz und ihre Branchenschwestern bei Lebensversicherungen hohe Renditen versprachen, müssen sie ihr Kapital so anlegen, dass es mehr als nur niedrige zwei oder drei Prozent Zinsen abwirft. Da boten sich bis vor kurzem Aktien und Fonds an. Mit den fallenden Kursen geraten immer mehr Versicherer in Panik. Ihre Bilanzreserven schrumpfen, sie verkaufen in großem Stil. Doch infolgedessen sinken die Kurse nur noch weiter. So waren die Großen der Assekuranz die Verlierer der letzten Tage: Die Allianz – die sich im Laufe des gestrigen Tages allerdings wieder etwas erholte – und die Münchener Rück, die Swiss Life, Dexia und Axa.
KATHARINA KOUFEN
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