: „Was uns nicht umbringt, macht uns stark“
Von der Entfremdung zwischen Chefetage und Basis ist derzeit bei der PDS viel die Rede. Auch an einem Abend in Lichtenberg, wo die Parteivorsitzende Gabi Zimmer sich den einfachen Parteimitgliedern stellte. Die Genossen gaben lieber Durchhalteparolen aus als Kritik
Die Wahl verlieren ist eins, es der Basis erklären ein anderes. Gabi Zimmer, Vorsitzende der PDS, kam drei Tage nach der Niederlage ihrer Partei ins Kulturzentrum von Lichtenberg. Kein Zuckerschlecken, so die Vermutung, denn auch in der alten PDS-Hochburg bröckelt die Zustimmung. Es kam jedoch anders. Angesagt war vor den reichlich anwesenden Fernsehkameras das Motto: „Gabi, halt durch!“
Weniger Glück hatte die Moderatorin, Burga Kalinowski. Bei ihr landete der reichlich vorhandene Frust ob der Niederlage, wagte sie es doch, der Parteichefin unliebsame Fragen zu stellen: Wo hat die PDS enttäuscht? Verträgt sich grundsätzliche Opposition und Regierungsbeteiligung? Welche Fehler in der Wahlkampfführung wurden gemacht? Was hatte die Bevölkerung bisher von der PDS im Bundestag? Wird die PDS als sozialistische Partei noch gebraucht? Das Publikum – grauhaarig, aufrecht und altgedient – hätte Kalinowski für solche Direktheit gerne das Mikrofon abgestellt.
Souverän waren Zimmers Antworten dann auch nicht. Von mit Applaus unterstützten „Es ist zu früh, eine Antwort zu geben“ bis hin zu „Jeder, der eine schlüssige Antwort will, muss sich selbst fragen, was er gemacht hat, um die PDS überzeugend zu machen“ changierten die Reaktionen der Vorsitzenden. In der Niederlage wird sich gern wieder der Basis erinnert. Denn dass das Wahldebakel etwas mit der Entfremdung zwischen Parteiführung und Anhängerschaft zu tun haben könnte, diese Einsicht hat sich schon durchgesetzt. In Berlin mit Rot-Rot als Regierung ohnehin. Die PDS sei bei der Verteilung der Macht ein Störfaktor, aber: „Wir haben zu sehr den Eindruck erweckt, dass wir auch dazu gehören“, meinte Zimmer und fügte im Nachsatz hinzu: „Was nicht heißt, dass es keine Regierungsbeteiligung geben soll.“
Dem Spagat, Regierungs- und Oppositionspartei in einem zu sein, redete Zimmer den Abend über das Wort. Ein kleines Kunststück, das nur funktioniert, wenn Widersprüche ignoriert werden. „Warum kann ich nicht deutlich machen, dass Bürgermeister andere Interessen haben können, als die Regierung?“, fragte sie. Und vergaß die berlinspezifische Antwort: Weil die Regierung dem Bürgermeister das Budget vorgibt. Oder plakativer, wie es im Laufe der Veranstaltung wurde: Auf Regierungsebene werden Kita-Beiträge erhöht, an der PDS-Basis soll dagegen demonstriert werden. So sieht die Erfindung der viereckigen Kugel, der positiven Negation, der abendlichen Morgendämmerung aus. „Was uns nicht umbringt, macht uns stark“, sagte ein Genosse nach der Veranstaltung.
Auf die Erfolge der PDS angesprochen, rechnete es Zimmer der Existenz der Partei an, dass Schröder und Fischer ein „Nein“ zum Irakkrieg formulierten. Ohne auf dem Attac-Ticket fahren zu wollen, beschwört sie, dass die PDS auch für junge Leute attraktiv sei. Das „auch“ ist den durchweg älteren Genossen und Genossinnen im Publikum geschuldet. Die nämlich plagen noch immer ganz andere Sorgen: Die Entschuldigung für die Mauer zu deren 40. Jahrestag zum Beispiel, oder dass kein PDS-Politiker bei der Demo gegen Bush anwesend war. „Wir verlieren, wenn wir zu viel Kompromisse machen. Wir sind ja schon eine halbe SPD“, meinte eine Genossin.
Eine gelbe Rose
An dieser Stelle wagte Zimmer es, DDR-Kritik zu formulieren. „Es wird kein Zurück geben“, auch wenn heute vieles in der BRD nicht in Ordnung sei wie soziale Gerechtigkeit oder Solidarität. Der Sozialismus der DDR sei keiner gewesen, weil er auf Demokratie verzichtet habe. „Kein Staat der Welt hat das Recht, Menschenrechte einzuschränken.“ Wenn es nicht gelinge, diese Erkenntnis mit den Biografien, Erfahrungen und Motivationen der Ostdeutschen in Einklang zu bringen und dafür eine Akzeptanz zu schaffen, „dann scheitern wir“, sagte Zimmer. Dies nämlich sei mit ein Grund dafür gewesen, warum die PDS nicht gewählt worden sei.
Applaus hat die PDS-Vorsitzende für diese zu leise vorgetragene Einsicht, die eigentlich ein starkes Statement war, keinen bekommen. Solange darüber aber nicht geredet werden kann, wird es müßig sein, immer wieder den Dialog zwischen Partei und Basis einzufordern. Am Ende gab es für Zimmer eine gelbe Rose von einer Sympathisantin. Sie sei nicht PDS-Mitglied, engagiere sich aber für soziale Gerechtigkeit und zwischenmenschliche Verständigung. „Treten Sie doch ein“, unterbricht eine Genossin sie harsch. „Ich wusste nicht, dass das hier eine Parteiversammlung wird“, stöhnte Kalinowski, die Moderatorin, am Ende. WALTRAUD SCHWAB
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