: Schlauch wechselt Mantel
Kerstin Müller und Rezzo Schlauch geben Fraktionsvorsitz der Grünen auf und werden mit Regierungsämtern versorgt. Krista Sager und Katrin Göring-Eckardt als Nachfolger vorgesehen
BERLIN taz ■ Kerstin Müller und Rezzo Schlauch wollen nicht erneut für den Fraktionsvorsitz der Grünen im Bundestag kandidieren. Das kündigten beide am Donnerstag in einem gemeinsam verfassten Brief an die Abgeordneten der Fraktion an. Die frühere Grünen-Chefin Krista Sager und die bisherige parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion, Katrin Göring-Eckardt, erklärten, sie wollten am 15. Oktober bei der Wahl der Fraktionsspitze gemeinsam antreten.
Die 36-jährige Thüringerin Göring-Eckardt sagte, sie könne sich bei dem großen Frauenanteil in der grünen Bundestagsfraktion gut vorstellen, die Fraktion zusammen mit einer Frau zu leiten, etwa mit Krista Sager. Die 49-jährige Bundestagsabgeordnete Krista Sager, die bis 2001 Hamburger Wissenschaftssenatorin war, erklärte, sie und Göring-Eckardt könnten sich gut ergänzen. Die Kandidatur der beiden Frauen ist mit dem grünen Spitzenteam um Joschka Fischer abgesprochen. Mit der Frauen-Doppelspitze, eine aus dem Osten, eine aus dem Westen, könnte die grüne Fraktion ein Gegengewicht zur Union setzen, heißt es. Die CDU/CSU-Fraktion hat am Dienstag mit Angela Merkel eine Frau aus Ostdeutschland als Vorsitzende gewählt.
Die Wahl von Göring-Eckardt und Sager ist aber noch keineswegs ausgemacht. Der Ostdeutsche Werner Schulz, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion, und der Umweltpolitiker Reinhard Loske erneuerten gestern gegenüber der taz ihr Interesse am grünen Fraktionsvorsitz. Schulz und Loske hatten sich in den vergangenen Tagen selbst als mögliche Fraktionschefs ins Gespräch gebracht. Beiden werden allerdings nur Außenseiterchancen eingeräumt. Schulz war bereits 1998 bei der Wahl zum Fraktionsvorsitzenden unterlegen. Joschka Fischer hatte damals seinen Freund Rezzo Schlauch durchgesetzt.
Schlauch und Müller begründeten ihren gestrigen Rückzug damit, dass sie sich „neuen Aufgaben und neuen Themen zuwenden“ wollen. Das ist nur zum Teil richtig. Von Müller war bekannt, dass sie sich nach acht Jahren an der Fraktionsspitze verändern wollte. Sie soll, wenn den Grünen ein viertes Ministerium zufällt, Justizministerin werden. Wenn das nicht klappt, hat ihr Joschka Fischer den Posten einer Staatsministerin im Auswärtigen Amt in Aussicht gestellt. Schlauch jedoch wollte ursprünglich um sein Amt als Fraktionschef kämpfen. Das grüne Spitzenteam um Joschka Fischer hat ihn nach taz-Informationen aber zum Rückzug gedrängt. Schlauch musste einsehen, dass er nach der Bonusmeilen-Affäre in der Bundestagsfraktion nicht mehr mehrheitsfähig war. Als Ausgleich für seinen „Verzicht“, so heißt es bei den Grünen, soll Schlauch jetzt entweder Staatssekretär im Wirtschaftsministerium werden oder eine Anstellung im Kanzleramt finden.
JENS KÖNIG
inland Seite 7, meinung Seite 12
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