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cduGrüne Partner für schwarze Strategen

Die rot-grünen Koalitionsgespräche haben kaum begonnen, da wird über eine andere Option spekuliert: Wie wär’s langfristig mit Schwarz-Grün? Neu ist diese Frage nicht, neu ist der Frager. Plötzlich denkt die CDU bisher Ungedachtes.

Kommentar von ULRIKE HERRMANN

Im Jahre IV nach Kohl sieht die Union ein, dass sie keine Partei mit eingebauter 40-Prozent-Garantie mehr ist. Sie braucht starke Koalitionäre – doch am Traditionspartner FDP ist nur verlässlich, dass er nicht verlässlich ist. Mal sind die Liberalen Spaß-, mal Radau-, mal Programmpartei. Meist sind sie alles gleichzeitig. Und sprunghaft wird die FDP bleiben, wer immer dort die Machtfrage für sich entscheidet: Die Liberalen haben fast nur Wechselwähler, da müssen sie wendig sein und schrill.

So entdeckt die CDU, wie bürgerlich sich dagegen Joschka Fischer ausnimmt. Mit einer Verspätung von mindestens einer Legislaturperiode nehmen selbst Unionsstrategen wahr, dass der Grüne nicht nur Boss ist, sondern auch Boss trägt. Heute ist der graue Dreiteiler das grüne Markenzeichen.

Dieser Habitus ist weder Irrtum noch Anpassung. Die Grünen sind ein Kind des Bürgertums, das nach einer wilden Pubertät entdeckt hat, dass es sich den elterlichen Karriereplänen und Sicherheitsbedürfnissen nicht wirklich entziehen kann. Auch grüne Wähler fliegen gern und haben nicht immer ein weites Herz für Zuwanderer.

Ob Finanzen, Wirtschaft oder Arbeitsmarkt: Die Unterschiede zwischen Schwarz und Grün ließen sich überwinden, sind oft viel geringer als zur SPD. Und auch Umweltministerin Angela Merkel hat schon an einer Ökosteuer gewerkelt. Gescheitert ist sie damals an der FDP.

Nicht die Sachpolitik trennt Union und Grüne, sondern die gefühlte Politik. Wahlentscheidungen haben mit Identität zu tun. Und ganz offensichtlich mögen sich Unionsanhänger und Grüne nicht. Die Wählerbewegung zwischen beiden Parteien liegt bei null.

Den Schaden hat die Union. Denn die Grünen sind bestens „aufgestellt“, wie es im Marketingdeutsch der Parteien heißt. Sie verkörpern ein attraktives Paradox: Ökologie ist bewahrend und konservativ, die Homoehe provokant und modern. Die Union hingegen hat es nicht geschafft, ihre konservativen Ansätze zu modernisieren. Dazu könnten die schwarzen Strategen einen grünen Partner gut gebrauchen. Denn derzeit wirkt die CDU so bieder wie im Jahr I – der Ära Kohl.

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