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Karawane unterwegs nach Übersee

Am Wochenende feiern „Blaue Karawane“ und „Blaues Café“ im Überseemuseum Jubiläum – der Ort der Veranstaltung ist nicht ganz freiwillig gewählt. Dahinter steckt ein Streit mit dem Verein „Initiative zur sozialen Rehabilitation und Vorbeugung psychischer Krankheiten“

„Dann bin ich nicht mehr der Betreuer und der andere ist der Betreute“

Blau sind im Café im Hinterhof an der Travemünderstraße nur noch die Lampen und die Theke, ein Blumentopf und ein Bild an der Wand. Das Café heißt jetzt nicht mehr „Blau“, sondern „Matti“, was auf Italienisch „verrückt“ heißt, „durchgeknallt“. Die „Blaue Karawane“ ist mit dem von ihr organisierten Café ausgezogen. Zur Zeit ist sie übergangsweise in einem Hinterhof in der Auguststraße untergebracht. Ihr Jubiläum – die „Karawane“ wird 17, das „Café“ 15 – feiert sie am kommenden Wochenende im Überseemuseum.

Dabei hat die „Blaue Karawane“ seit fast zehn Jahren an einer richtigen Bleibe gearbeitet. Auf dem Eckgrundstück Waller Heerstraße/Travemünderstraße im Bremer Westen wurde eine „Karawanserei“ eingerichtet, die in ein neues Gebäude ziehen sollte – gemeinsam mit der „Initiative zur Sozialen Rehabilitation und Vorbeugung psychischer Erkrankungen“.

Die „Blaue Karawane“ war in Form der „Blauen Karawanserei“ und dem „Café Blau“ seit 1994 Mitglied des Vereins – „das Spielbein neben dem Standbein“, wie der Nervenarzt Klaus-Peter Pramann sagt, Gründungsmitglied sowohl der „Karawane“ als auch der „Initiative“. Während dieser Zeit unterstützte der Verein die „blauen Aktionen“: die „Karawanen“ etwa, die in unregelmäßigen Abständen durch Deutschland zogen, den Unterschied zwischen „normal“ und „verrückt“ für nichtig erklärten und andere Ausgegrenzte wie Asylbewerber und Häftlinge besuchten, und ebenso die festen Gruppen in der Karawanserei. Hier gibt es eine Mal- und eine Clowngruppe und andere wöchentliche Angebote.

Doch dann wurde der „Initiative“ die „Blaue Karawane“ offenbar zu spielerisch. „Das war alles zu sehr ins Blaue hinein“, sagt Jörg Utschakowski, Projektkoordinator des Vereins, „zu unkonkret. Grenzen überwinden – so ganz allgemein. Das ist ja fast esoterisch.“ Vor allem aber gab es Streit um den Neubau. Für die „Blaue Karawane“ war klar: Hier entsteht die Karawanserei. Doch die „Initiative“ wollte die Räume auch für andere Projekte nutzen, Büroräume darin unterbringen.

Pramann sieht das so: „Die haben den Plan, der schon lange feststand, einfach über den Haufen geworfen und uns dann vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Außerdem habe man den Geschäftsführer Helmut Herzog mit einer fadenscheinigen Begründung entlasssen, um die eigenen Pläne durchsetzen zu können. Herzog, Gründungsmitglied der Initiative, habe das Spielbein neben dem Standbein immer verteidigt.

Die „Initiative“ bestreitet die Vorwürfe. Sie wolle kein reines Bürohaus bauen und habe zudem die „Karawane“ nicht vom Diskussionsprozess ausgeschlossen. Vielmehr sei die nicht zu den Diskussionsterminen erschienen. „Wir müssen hier mehrere Projekte bedienen – eine Gruppe kann nicht den Multifunktionsraum für sich haben wollen und die anderen müssen zu gucken.“

Doch der Konflikt ist grundsätzlicher. Die „Initiative“ will professionelle Strukturen schaffen, die denjenigen, die sonst in die geschlossenen Anstalten kämen, ein „normales“ Leben ermöglicht. Für die „Blaue Karawane“ hat sie sich damit schon wieder die alte Sicht angeeignet: Die Patienten würden wieder als „Objekte“ behandelt, um die man sich institutionell kümmern muss. Pramann möchte das aber gerade überwinden, alle sollen „Subjekte“ seien. „In unseren Aktionen gelingt das. Da bin ich nicht mehr der Betreuer und der andere ist der Betreute, der Hilfe braucht. Da kann der mir genauso helfen.“

Vielleicht wird diese unterschiedliche Sicht besonders bei den Ideen für das Café deutlich. Die „Initiative“ möchte ein möglichst professionelles Café, durch das sich ihre Klienten auf den „ersten Arbeitsmarkt“ vorbereiten können. Das „Café Blau“ war jedoch als Begegnungsort gedacht – als Fortsetzung jenes „Cafés“ im Sozialraum der Psychiatrie Blankenburg, in der sich vor über 20 Jahren Betreuer und Betreute trafen, um zu reden und die Hierachien zu überwinden. „Kaffee war da ein ganz anderer Stoff“, sagt Pramann.

Solchen Stoff soll es im Café des Übersee-Restaurants nun wieder geben. Der Pächter des Übersee-Restaurants, Ullrich Makin, schlug der „Blauen Karawane“ einen solchen Besuch bereits vor, bevor es überhaupt zum Streit kam – um so die „Verrückten“ zurück ins Zentrum der Gesellschaft zu holen. Deshalb sollte sich das „Café Blau“ generell andere Orte suchen, ein Stationencafé werden. „Cafés gibt es genug. Die Gespräche sind das Wichtige.“

Doch zunächst soll die Aktion erst einmal dazu dienen, auf sich aufmerksam zu machen: Denn vor allem sucht die „Karawane“, die jetzt keine festen Räume mehr hat, eine neue Bleibe.

Am Freitag zieht die Karawane mit dem Blauen Kamel „Wüna“ und Bremer Stadtmusikanten aus der Travemünderstraße aus und als Zug ins Überseemuseum. Dort wird sie vom Chor „Donna Canta“ empfangen - und einem Imbiss mit „normal-verrückten“ Kellnern.

Bis Ende November folgt noch jeden Freitag Programm im temporären „Café Blau“: Filme, Lesungen, Musik und Gespräche. Nina Diezemann

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