: „Wir müssen uns Freiräume holen“
Auch nach gleich drei gescheiterten Versuchen am vergangenen Wochenende geben die Bremer HausbesetzerInnen nicht auf. Kaum Platz für Konzerte, zu teure Wohnungen und Lust auf Action: Grund genug für weitere Besetzungen?
Nein, zufrieden sind sie nicht, die HausbesetzerInnen. In drei Häuser waren sie am Wochenende eingezogen, wollten „einen Stein ins Rollen bringen“, wie Sprecher Pedro sagt. Doch die Strategie ging nicht auf.
Spezial-Kommandos der Polizei schnitten die Ketten auf, rammten die Türen ein und machten die Häuser binnen Stunden wieder zu dem, was sie zuvor bereits waren: ungenutzte Gebäude. Innensenator Kuno Böse (CDU) versprach: „Alle beteiligten Ämter und Behörden werden auch künftig dafür sorgen, dass sich eine Hausbesetzerszene in Bremen nicht etablieren kann.“
Pedro hofft auf das Gegenteil. Ob in der Neustadt, in Schwachhausen, im Faulenquartier oder in Walle – nach wie vor, argumentiert der Student, gebe es genug leer stehende Gebäude. Statt diese jahrelang verfallen zu lassen, könnten sie genauso gut auch besetzt und zum Wohnen sowie für Konzerte, als Ateliers und Treffpunkte genutzt werden.
„Zu behaupten, dass alle von uns von der Wohnungsnot bedroht sind, wäre eine Lüge“, gibt Hausbesetzer Claus (34) unumwunden zu. Viele aber seien unzufrieden mit ihrer Wohnsituation, die Mieten zu hoch. „Bezahlbar ist relativ“, sagt Pedro. Wer nicht regelmäßig arbeite, müsse oft die Hälfte seines Monatseinkommens für ein Zimmer ausgeben. „Wenn es dann ein Haus gibt, das leer steht...“
Unbezahlbar oder ungeeignet sind nach Ansicht der Besetzer und ihrer Unterstützer auch die legalen Veranstaltungsorte wie Schlachthof, Jugendzentren und Freizeitheime. Im Jugendfreizeitheim „Friese“ etwa, sagt Pedro, könne man wegen der Nachbarn unter der Woche kaum noch Konzerte machen, außerdem müsse immer eine Aufsicht dabei sein.
Der Sozialarbeiter in der „Friese“, bestätigt das. Der Trend gehe zwar hin zu mehr Beteiligung von Jugendlichen, das Jugendfreizeitheim richte sich mit seinen Angeboten jedoch in erster Linie an jüngere Jugendliche – die Anleitung ist gewollt. Räume für völlig selbst verwaltete Projekte und unkommerzielle Veranstaltungen, so sein Urteil, „gibt es wenig.“ Und der gesamte Jugend- und Kultur-Bereich habe mit Einschränkungen und Kürzungen zu kämpfen.
Das gilt auch im Musikbereich: Seit die Stadt vor knapp drei Jahren den größten Teil der Bunker aus Sicherheitsgründen gesperrt habe, seien die Proberäume für Bands knapp geworden. In einem eigenen Haus hingegen, egal, ob besetzt oder günstig überlassen, schwärmt Pedro, könne man im Keller auch mal spontan ein Konzert organisieren: „Überall anders gibt es schon starre Rahmen und Regeln. Bei so einem Projekt wie einer Hausbesetzung entsteht einfach mehr.“
Paul, 27 Jahre alt, Arbeiter und einer der Unterstützer, hält Hausbesetzungen sogar für eine vorausschauende Strategie: „Es ist doch besser, nicht erst zu warten, bis wieder ein Freizeitheim geschlossen wird, sondern schon im Vorfeld zu gucken, dass man sich eigenständig Räume organisiert.“
Mit ihren Argumenten stoßen die HausbesetzerInnen indes selbst in der linken Szene nicht immer auf offene Ohren und ungeteilte Zustimmung. „Wir haben uns auch sagen lassen müssen, dass Hausbesetzungen total out sind“, gesteht Pedro. Manch andere Szene-Lokalität, so das Gerücht, fürchte zudem mögliche Konkurrenz.
Grund zum Aufgeben sehen die Möchtegern-Besetzer darin nicht. Man werde beim nächsten Mal bereits im Vorfeld verstärkt bei Vereinen und Gruppen um Unterstützung werben, um mehr öffentlichen Druck zu erzeugen, kündigt Pedro an. So schnell wie dieses Mal jedenfalls, da ist er zuversichtlich, seien die Häuser beim nächsten Mal nicht wieder leer: „Das kann man noch besser machen.“
Armin Simon
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