: Kinder ohne jede Chance
Menschenrechtsorganisation: In Birma sind ein Fünftel der Soldaten unter 18 Jahre alt
BANGKOK taz ■ Birma hat weltweit die meisten Kindersoldaten, heißt es in einem Bericht der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, der heute veröffentlicht wird. Demnach steigt die Zahl der Kindersoldaten in dem südostasiatischen Land noch weiter an. Seit 1988 in Birma die Demokratiebewegung niedergeschlagen wurde, verdoppelte sich die Zahl der Soldaten auf etwa 350.000. Laut Human Rights Watch sind davon mindestens 20 Prozent Kinder und Jugendliche unter achtzehn Jahren. Nach dem Report „Meine Waffe ist genauso groß wie ich“ wird die große Mehrheit der Kindersoldaten von der Nationalarmee der regierenden Junta zwangsrekrutiert. Aber auch bewaffnete Oppositionsgruppen zwingen Kinder zu den Waffen.
Viele Kindersoldaten in Birma, fast ausschließlich Jungen, sind laut dem Report nicht älter als elf oder zwölf Jahre. Sie werden von der Straße, Bahnhöfen oder Märkten verschleppt, misshandelt und bedroht, wenn sie sich wehren. Sie haben keine Gelegenheit mehr, mit ihrer Familie Kontakt aufzunehmen. Stattdessen werden sie in Armeelager entführt. Wird ein Kindersoldat bei der Flucht erwischt, wird er meist zu Tode geprügelt.
Human Rights Watch interviewte mehr als drei Dutzend betroffene Kinder und Jugendliche: Einmal in den Fängen der Armee, werden sie gezwungen, Zivilisten oder Angehörige ethnischer Minderheiten zu misshandeln, Dörfer niederzubrennen und sich an Massakern zu beteiligen. So befragte Human Rights Watch zwei Jungen, die als Dreizehn- und Fünfzehnjährige zu einer Einheit gehörten, die Anfang 2001 Frauen und Kinder in der Shan-Region ermordeten.
„Jeder von uns hat den Soldaten gesagt, dass wir nicht der Armee beitreten wollten. Doch wir wurden so lange geschlagen und bedroht, bis wir aus Angst einwilligten“, sagte Soe Naing, der als Zwölfjähriger zwangsrekrutiert wurde. Than Aung, der mit 14 verschleppt wurde, sagte: „Als wir bei den Soldaten eintrafen, fragten sie uns, ob wir der Armee beitreten oder lieber nach Hause gehen wollten. Natürlich wollten viele von uns nach Hause. Sie haben uns gepackt, nackt ausgezogen und bei nur einer Hand voll Reis in einen Raum gesperrt […] Mein Freund war erst elf. Er hat oft vor Hunger geweint […] Zwei oder drei andere Jungen sind krank geworden und gestorben.“
Kinder unter fünfzehn Jahren für Dienste an der Waffe zu rekrutieren, galt nach internationalem Recht als Kriegsverbrechen. Nach Protesten gegen diese niedrige Altersgrenze hob die UN-Vollversammlung am 25. Mai 2000 in einem Fakultativprotokoll das Mindestalter auf 18 Jahre an. Birma hat dieses Protokoll jedoch bis heute nicht ratifiziert.
Nach wie vor zählt das vom Westen wegen seiner massiven Menschenrechtsverletzungen mit Sanktionen belegte Land zu den weltweit sieben ärmsten Ländern. Laut dem Kinderhilfswerk Terre des hommes gab das Regime bisher mehr als 40 Prozent des Staatshaushaltes für das Militär aus, für Erziehung und Gesundheit mussten dagegen magere vier Prozent reichen. Weltweit gibt es über 300.000 Kindersoldaten. NICOLA GLASS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen