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Stracciatella ohne Schokolade

Gammeliger Kaviar, falscher Fruchtsaft, Labskaus mit Asche, Torte, die auf der Toilette gelagert wurde: Hygiene-Institut überführt schummelnde Lebensmittel-Hersteller und Gastronomen. Aber nur in drei Fällen Gesundheitsgefährdung festgestellt

von GERNOT KNÖDLER

Lebensmittelkontrolleur ist kein Job für Leute, denen es leicht den Appetit verschlägt: Fadenwürmer auf Heringen, nach Altöl riechendes Corned Beef und Zigaretten-Asche im Labskaus gefährden zwar nicht gleich die Gesundheit. Den Verzehr solcher Ware halten die Mitarbeiter des Hamburger Hygiene-Instituts aber für nicht zumutbar, weil sie den Ekel des Verbrauchers erregt. 13 Prozent der gut 14.000 im vorigen Jahr untersuchten Proben wurden „wegen mangelnder Qualität oder ungenügender Kennzeichnung beanstandet“, teilte Instituts-Geschäftsführer Hans-Joachim Breetz bei der Vorstellung des Jahresberichts mit. Nur in drei Fällen habe allerdings eine Gesundheitsgefahr vorgelegen.

Im Fertiggericht eines Restaurants wurden Staphylokokken nachgewiesen, die über einen Mitarbeiter in das Essen gelangt waren. Die Firma habe daraufhin die Hygiene bei ihren Beschäftigten verbessert und eine neue Abfüllanlage eingerichtet – ein „vorbildliches Verhalten“, fand Breetz. Auch eine Mascarponecreme hatte es in sich: Elf Menschen erkrankten an Salmonellose, weil ein an der Herstellung Beteiligter die Mikroorganismen in sich trug. In einem dritten Falle war ein Haushaltsreiniger nicht mit den vorgeschriebenen Warnsymbolen und deutschen Warnungen versehen. Überdies fehlte eine Kindersicherung.

Die meisten Beanstandungen (36 Prozent) sprachen die Kontrolleure aus, weil Lebensmittel nicht das enthielten, was sie versprachen. 36 von 38 Proben von Honig aus der Türkei enthielten unechte oder wiederverwendete Bienenwaben. In 21 von 25 untersuchten Restaurants war der versprochene Fruchtsaft bloß „Nektar“. Nektar muss im Gegensatz zu Saft nur 25 bis 50 Prozent Frucht enthalten, ein „Fruchtsaftgetränk“ sogar nur sechs bis 30 Prozent. Beiden werden Zucker und andere Stoffe beigemischt. Stracciatella-Eis enthielt in der Hälfte der besuchten Eisdielen keine echten Schokosplitter sondern „kakaohaltige Fettglasur“, bei der die Kakaobutter durch minderwertiges Fett ersetzt ist.

Den zweitgrößten Beanstandungsposten (23 Prozent) bilden Mängel in der Kennzeichnung von Lebensmitteln. Hier wurden zum Beispiel kennzeichungspflichtige Zutaten nicht auf der Packung angegeben oder normaler Schaumwein zu Unrecht mit dem Hinweis „méthode cham- pagnoise“ versehen.

Knapp 18 Prozent der beanstandeten Ware stuften die Prüfer als „nicht zum Verzehr geeignet“ ein. In diese Kategorie fällt auch schlicht Unappetitliches, etwa die Torten, die auf der Toilette gelagert werden. „Wenn der Verbraucher es wüsste, würde ihn der Ekel dazu bringen, dass er die Torte nicht isst“, erläutert Institutssprecher Thomas Kühn.

Wenig appetitlich fanden die Prüfer auch elf von 20 Proben Matjes: Sie rochen und schmeckten alt und tranig. Teilweise seien diese Fische sogar als „neue Matjesheringe“ angeboten worden. Von zwölf Proben Beluga-, Osietra- und Sevruga-Kaviar hätten sich zehn als „alt bis muffig, eine sogar als fremdartig, tranig im Geruch und extrem bitter und fischig im Geschmack“ erwiesen, heißt es im Jahresbericht.

Die Elbfische hingegen scheinen überwiegend genießbar zu sein. Unter 90 Proben überschritt lediglich ein Aal knapp den zulässigen Grenzwert von Quecksilber. Im Rahmen eines kontinuierlichen Messprogramms will das Hygiene-Institut auch in diesem Herbst zusammen mit der Arge Elbe die Fische untersuchen. Kühn erwartet allerdings keine besondere Schadstoffbelastung, weil mit der Flutwelle des Sommers das Wasser sehr schnell durch Hamburg geflossen sei. Trotzdem empfiehlt er, sich beim Verzehr von Elbfischen zurückzuhalten.

In sieben von 25 untersuchten Proben von Sojaerzeugnissen fanden die Laboranten gentechnisch verändertes Erbgut. Eine Kennzeichnung sei allerdings nicht nötig gewesen, weil sein Anteil unter dem von der EU festgelegten Grenzwert lag.

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