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Glockengeläut

Die „Glocke“ wird nicht nur von Tourneeveranstaltern gern bespielt. Das Eigenprogramm bietet bewährte Reihen, nicht zuletzt für den Publikumsnachwuchs. Nur die beliebte „Glocke Vokal“ wirkt diese Spielzeit etwas konzeptionslos

Das Konzept besteht darin, die geläufige Gurgel vorzuzeigen

Mit seinem Wunsch, die Glocke zu einem „Ort der Kommunikation“ mit einem „unverwechselbaren Profil“ machen zu wollen, klinkt sich der neue Geschäftsführer der Bremer Glocke, der ehemalige Arzt und Cellist Thomas Weinsberg, sozusagen nahtlos in die Konzeptionen seiner VorgängerInnen Andreas Schultz und Ilona Schmiel ein.

Mehr noch: Er kann darauf aufbauen, dass diese beiden in nur fünf Jahren das Haus zu einem weltberühmten Konzertsaal gemacht haben. Und er kann darauf aufbauen, dass die pädagogische Vermittlungsarbeit, die Heranziehung des Nachwuchses, hier bereits in einzigartiger Weise betrieben wird. Dass Ilona Schmiel das Handtuch schmiss (mittlerweile ist sie Intendantin des Bonner Beethoven-Festes), weil ihrer Meinung nach die finanziellen Bedingungen eine vertretbare Fortführung ihrer Konzeptionen nicht mehr erlaubten, schreckt Weinsberg nicht: „Ich bin von Haus aus ein Optimist, ich gucke nach vorn und ich habe Bedingungen, mit denen ich was machen kann“. In Zahlen ausgedrückt: Pro Saison bekommt Weinsberg etwa 100.000 Euro von der Hanseatischen Veranstaltungs Gesellschaft (HVG) für die Gestaltung eigener Programme.

Eine Woche vor seinem offiziellen Amtsantritt („Ich bin nur ein bisschen da.“) stellten er und das erfahrene Glocke-Team die neue, freilich noch von Ilona Schmiel geplante Saison vor. Vier eigene Veranstaltungsreihen haben sich etabliert und profiliert, von denen Weinsberg zwei ganz sicher weiterführen wird: die Familienkonzerte und die Reihe „Unplugged“, wie sie nicht besonders geschickt heißt, mit der Zehn- bis Zwölfjährige angesprochen werden sollen. So wird die Reihe denn auch eher „Ohrwurm-Reihe“ genannt, wie sie im Inneren des Flyers heißt.

Das Konzept stammt hauptsächlich von Zusana Pesselová, in der Glocke zuständig für Nachwuchsförderungs- und Sonderprojekte, und wird künstlerisch durchgeführt von Peter Lüchinger von der Bremer Shakespeare Company: Man klinkt sich ein in die Konzertreihen der Deutschen Kammerphilharmonie, der Bremer Philharmoniker (lustiger Druckfehlerteufel: Im Juni 2003 spielt noch einmal das nicht mehr existierende „Philharmonische Staatsorchester“), der Europachorakademie und des NDR-Sinfonie-Orchesters, des Internationalen Jugendsinfonieorchesters. Bis zur Pause sind die Jugendlichen mit Lüchinger zusammen und erarbeiten etwas Szenisches zu der Musik, die sie anschließend hören.

Die „Familienkonzerte“, die hauptsächlich für Kinder ab etwa sechs Jahren gedacht sind, kombinieren in abwechslungsreicher Weise Selbstmach- und Zuhörkonzerte. Richtig feine Sachen gibt es auch in der Reihe „Glocke Spezial“: „Das wird Bremen so schnell nicht wieder erleben“, kündigte Karlheinz Schmidt vom Kino 46 an und meint damit die Aufführung des kompletten Filmes „Metropolis“ in seiner originalen Länge von 147 Minuten, begleitet vom Landesjugendorchester. Der berühmte Stummfilm von Fritz Lang war kurz nach seiner Uraufführung (1926) auf 90 Minuten gekürzt worden, so dass man erst jetzt „die Schnipsel, die in der ganzen Welt lagen“ (Schmidt) wieder zusammenbekommen hat.

Bemerkenswert ist die Karriere des hinreißenden (Jazz-)Sängers Bobby McFerrin als Dirigent, vor allem von Werken seines Lieblingskomponisten Wolfgang Amadeus Mozart: in „Glocke Spezial“ zu erleben mit dem Münchner Rundfunkorchester. Spannend auch der Auftritt der jungen portugiesischen Fado-Sängerin Cristina Branco und die Moderation eines Konzertes mit Werken von Strawinsky und Mendelssohn Bartholdy durch den rheinländischen Kabarettisten Konrad Beikircher. Und nicht zuletzt kommen die „Wise Guys“ in die „Glocke“, jene fünf kölsche Vokalisten, deren bremische Fans vermutlich den großen Glockensaal platzen lassen werden.

Heute Abend erklingt der erste der Liederabende in der Reihe „Glocke Vokal“, die dieses Mal in Programm und Besetzung seltsam konzeptionslos erscheint: die koreanische Sopranistin Sumi Jo singt Lieder und Arien von zwölf (!) Komponisten – was nur bedeuten kann, dass das Konzept darin besteht, die geläufige Gurgel vorzuzeigen. Dann ein ganz anderes Gebiet, nämlich„American Songs“ mit Julie Kaufmann und James Taylor. Danach wird es klassisch mit zwei Hugo Wolf-Konzerte, die durch Lesungen von Dietrich Fischer-Dieskau und Gert Westphal ergänzt werden, dann folgt ein Wolf-Schubert-Abend mit dem Bariton Matthias Görne und ein Konzert mit den TeilnehmerInnen seines Meisterkurses. Darin kann man als ZuhörerIn kaum eine Orientierung finden.

Ute Schalz-Laurenze

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