: Erkämpfter Geburtstag
Das Schröderstift wird 150 Jahre alt. Wäre es nach dem Senat gegangen, wäre das Gebäude schon vor 22 Jahren abgerissen worden. Es wurde das erste erfolgreiche Wohnprojekt Hamburgs
von HELGA JAHNKE
Der Geburtstag ist hart erarbeitet. 150 Jahre wurde das Schröderstift in dieser Woche – 127 wären es geblieben, wäre es 1980 nach dem Willen des Senates gegangen. Das denkmalgeschütze Gebäude sollte damals einem Bau der „Neuen Heimat“ weichen. Es wurde das erste erfolgreiche Wohnprojekt Hamburgs.
Nach dem Motto „Licht und Luft für alle“ wurden in SPD-regierten Bundesländern nach dem Krieg neue Wohn- und Bürogebäude als frei stehende, meist monotone Blöcke errichtet. Ein Gutachten bescheinigte 1980 auch dem Schröderstift die Unbewohnbarkeit. Der Denkmalschutz wurde aufgehoben, der Senat beschloss den Abriss.
Doch das Gebäude war bewohnt. Seit 1971, dem Umzug der Stiftsbewohner in eine Neugründung in Langenhorn, vermietete die SAGA die Wohnungen an Studenten. Der Zustand der Gebäude war zwar tatsächlich unzumutbar, doch die Bewohner wollten bleiben. 1981 gründeten sie die Mieterselbstverwaltung und bestellten ein Gegengutachten.
Das beschrieb, dass die Gebäude sehr wohl zu retten seien – allerdings nur, wenn die Mieter durch eigene Bauleistungen die Kosten senken. Die Schröderstiftler erarbeiteten ein Konzept und beantragten beim Senat die Kosten für die Instandsetzung. Durch Demos und Feste überzeugten sie die Öffentlichkeit. Auch der Bezirk Eimsbüttel unterstützte ihr Anliegen. Noch bevor der Senat über den Antrag abstimmte, fingen die Studenten mit den Bauarbeiten an.
Schließlich bewilligte der Senat 869.000 DM – so viel, wie der Abriss der Gebäude gekostet hätte. Wolfram Tietz, Architekt vom „Planerkollektiv“ vermutet dahinter die Taktik: „Lass‘ die machen, das Ganze geht sowieso schief, und dann sind die Utopien vom Tisch.“ Man hatte nicht mit der Hartnäckigkeit der Bewohner gerechnet.
Denn die Studenten als Bauherren und Handwerker hielten durch, und der Erfolg des Projekts gab anderen Initiativen den Mut, den Kampf mit den Institutionen aufzunehmen. Egbert Kossak, Hamburgs ehemaliger Oberbaudirektor, sieht das Schröderstift-Projekt als Türöffner. Es wurde bundesweit zu einem Modell nachhaltiger Stadterneuerung, zwang Politik und Verwaltung zu einer anderen Haltung im Umgang mit historischer Bausubstanz. Davon profitierte später nicht zuletzt das Hafenstraßen-Projekt.
Heute sind die 20 bis 40 Quadratmeter-Wohnungen begehrt. Hier leben viele Studenten, Lehrer, Ärzte, Handwerker. Letztere sind oft „umgeschulte“ Studenten, die durch die Bauarbeiten ihre handwerkliche Ader entdeckten.
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