: Banken in Kreditstreik
Wegen schlechter Wirtschaftslage und vieler Insolvenzen wird Geldausleihen schwieriger
von HERMANNUS PFEIFFER
Die bundesdeutschen Banken stehen im Kreditstreik. Diesen von Handwerk und Gewerbe schon länger gehegten Verdacht belegen jetzt erstmals die Zahlen der Deutschen Bundesbank. In ihrem jüngsten Monatsbericht verweisen die Geldaufseher auf das „sehr schwache Kreditgeschäft“ der so genannten Kreditwirtschaft, zuletzt sei das Volumen aller Darlehen sogar um rund sieben Milliarden Euro geschrumpft. Ein solches Minuszeichen vor der Kreditbilanz tauchte in den Büchern der Banken seit 1980 nicht auf.
Mittelstand und Wirtschaftsverbände klagen seit Monaten über eine Kreditklemme. Darlehen für neue Investitionen seien nur unter erschwerten Bedingungen oder gleich gar nicht zu bekommen. Nun wird dieser gefühlte Trend von der Statistik der Bundesbank gestützt. „Zuletzt lagen die ausstehenden Kredite an die Wirtschaft unter Vorjahrsniveau“, stellt der Monatsbericht fest. Neue Projekte von Handel, Gewerbe und Dienstleistung liegen auf Eis und drohen im Konjunkturtief zu schmelzen.
In der Vergangenheit hatte dagegen das Kreditvolumen in der Bundesrepublik pro Jahr um bis zu zehn Prozent und mehr zugelegt und damit die Konjunktur angekurbelt. Jetzt klagt etwa die angeschlagene Baubranche, dass Banken den gewerblichen Hausbau nur noch finanzieren, wenn der Bauträger sein Eigenkapital gewaltig aufstockt oder vor Baubeginn mindestens die Hälfte seines Bauvorhabens für 2004 oder 2005 schon heute vermietet oder verkauft – was in der aktuellen Wirtschaftslage kaum möglich ist.
Neben der Wirtschaft stecken auch die privaten Verbraucher in der Kreditklemme, denn auch Konsumdarlehen für den neuen oder das Ledersofa und selbst relativ sichere Baudarlehen sind immer seltener zu bekommen, belegt der Bundesbankbericht. Zu den Darlehensverweigern gehören vor allem die privaten Banken, aber auch immer mehr genossenschaftliche Volks- und Raiffeisenbanken sowie Sparkassen.
Die Bundesbank verteidigt die Banken: Verantwortlich für den Boykott seien nicht finstere Managermächte, sondern die stotternde Konjunktur. Aus der Kreditbranche ist jedoch zu hören, dass man fester an der Kreditschraube drehe, als es die Wirtschaftslage eigentlich erzwingt. Bei den meisten Banken und Sparkassen stammen über 80 Prozent der Gewinne aus dem Geldverleih. Um zukünftig wieder profitabler zu werden, sollen Kreditausfälle nicht mehr einkalkuliert, sondern von vornherein ausgeschlossen werden. „Risiken, die bis vor kurzem noch als tragbar galten, sind uns heute zu heiß“, heißt es aus der Niederlassung einer Großbank in Hamburg.
Damit die Kassen der Banken trotz eines bestenfalls stagnierenden Geschäftsvolumens weiterhin laut klingeln, sollen nicht allein Filialen und Personal verschwinden, sondern auch die neue Bilanzrichtlinie Basel II schon heute genutzt werden, um die Zinsen deutlich anzuheben. In einer „Topmanagement-Befragung“ der Unternehmensberatung Mummert und Partner gaben neun von zehn Institute an, „die Kreditpreise künftig konsequent an die Kreditrisiken und -kosten anzupassen“. Ganz so, wie es die Basler Richtlinie vorsieht. Die Befragten rechnen damit, dass Kredite für kleine und mittlere Unternehmen teurer werden – wenn sie denn überhaupt noch ein Darlehen zugeteilt erhalten.
Die prozyklische Geschäftspolitik der Geldhäuser stößt bei Ökonomen auf Kritik. „Die Banken verschärfen die wirtschaftliche Krise durch ihre Manie, selbst normale Kredite kaum noch zu vergeben“, sagt der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel. Für die Volkswirtschaft ist dies eine schwere Hypothek, schließlich werden mit diesem kurzsichtigen Geschäftsgebaren die Pleiten von morgen schon heute geplant.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen