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Bohlen statt Bond

Medienforscher über Erfolg der Bohlen-Biografie: Die individualisierte Gesellschaft sucht nach Gemeinsamkeit. Kollektives Kopfschütteln über einen „modernen Helden“

Musikproduzent Dieter Bohlens Biografie „Nichts als die Wahrheit“ führt drei Wochen nach dem Erscheinen weiterhin die Bestsellerlisten an. Inzwischen gibt es kaum ein Medium, das die amourösen Bekenntnisse des 48-Jährigen nicht aufgegriffen hätte. Auch Literaturkritiker, Medi- enexperten sowie Zeitgeistforscher haben sich des „Phänomens Bohlen“ angenommen.

Nach Ansicht des Zeitgeistforschers Andreas Steinle fasziniert Bohlen, weil er Gesprächsstoff liefere zu „Themen, die jeden angehen: Macht, Ruhm, Eitelkeit, Sex. Es geht um Siege und Niederlagen“, meinte der Experte vom Hamburger Trendbüro. „In diesem Sinne ist Dieter Bohlen ein moderner Held. Man liebt ihn, man hasst ihn – wie auch immer: Bohlen löst Emotionen aus.“ Gerade in einer Zeit, in der es nur noch wenige gemeinsame Themen gebe, werde Bohlen besonders interessant.

Ähnliche Ursachen für den Erfolg der Bohlen-Biografie sieht der Hamburger Medienforscher Uwe Hasebrink. „Wir haben im Moment eine Gesellschaft, die in vielerlei Hinsicht sehr heterogen ist“, erläuterte der Leiter des Hans-Bredow-Institutes für Medienforschung. „Gemeinsame Bindung hat an Bedeutung verloren. Das Einzige, womit sich oberflächlich eine Gemeinsamkeit herstellen lässt, sind Boulevardthemen, sind so genannte Stars, über die sich die gesamte Bevölkerung aufregen kann – ein kollektives Kopfschütteln.“

Bohlen selbst, dessen Ziel bis Weihnachten eine Million verkaufte Bücher sind, erklärte seinen Erfolg in der Gala so: „Das Buch ist authentisch, ich bin authentisch. Ich schreibe so, wie ich rede, und ich rede so, wie die Leute zu Hause im Wohnzimmer. Ich bin kein Hochliterat – und die Leute führen zu Hause auch keine hochliterarischen Gespräche.“ Dorit Koch

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