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Nette Aktiönchen im Herbstlaub

Der Kampf gegen die Miniermotte ist schon wieder vorbei. Der Erfolg der Laubsammelaktion ist umstritten. Immerhin haben ein paar Bürger mal wieder was zusammen unternommen. Und die Sozialhilfe unwilliger Helfer kann auch gekürzt werden

von CHRISTIANE GROSS und JÜRGEN SCHULZ

Der stadtweite Kampf gegen die Miniermotte ist schon wieder eingemottet. Dabei liegt vielerorts weiterhin Laub der weißen Rosskastanien am Boden, in dem die Larven der Kastanienzerfresser nun überwintern können. Eine weitere Fressattacke der vom Balkan eingewanderten Parasiten scheint unausweichlich. Schon in diesem Jahr wurden viele der insgesamt 60.000 Berliner Kastanien stark geschädigt. Bereits im Hochsommer waren viele Baumkronen aufgrund des Befalls herbstlich braun.

Vom 21. Oktober bis zum 8. November waren Sozialhilfeempfänger, Schulklassen und andere wirklich Freiwilllige von den Bezirken aufgerufen, das Laub zu sammeln und den Larven per Kompostierung den Garaus zu machen. Doch obwohl die Bezirke überschwänglich für die Aktionen warben, war die Beteiligung eher mau.

In den Grünflächenämter freut man sich dennoch über den Einsatz für die grüne Sache. „Es konnte einiges geschafft werden“, sagt Rüdiger Zech, Amtsleiter des Grünflächenamtes in Reinickendorf. An zwei Tagen Ende Oktober harkten insgesamt 28 Freiwillige, 35 Sozialhilfeempfänger arbeiten zwei Wochen durchgängig, Schulklassen verlegten ihren Wandertag unter die Kastanien, zudem zogen zwölf Kleingartenverbände ins Laub. Die allein sammelten insgesamt 250 Zehn-Liter-Säcke.

Das sei ein Erfolg, betont Amtsleiter Zech. „Den größeren Anteil des Laubs entsorgen aber unsere Amtsgärtner.“ Der Bezirk Reinickendorf sei nahezu laubfrei, verkündet Zech. Zumindest was die 3.000 Kastanien im öffentlichen Raum betreffe. Ein erfreulicher Nebeneffekt sei zudem die „Förderung der Bürgerbeteiligung und das Gespräch mit den Bürgern“.

Wolfgang Krause, Leiter des Amtes für Umwelt und Natur in Pankow, sieht den Sinn der Aktion kritischer: „Allein durch Laubsammeln können wir die Motte nicht ausrotten, da immer irgendwo Larven überleben.“ Zumindest gäbe es durch die Sammelaktionen im nächsten Jahr deutlich weniger Miniermotten. In Pankow räumten 42 Freiwillige und 15 Sozialhilfeempfänger 20 Prozent der Parkfläche am Weißenseer See frei.

Auch Sabine Krain, Fachbereichsleiterin für Grün beim Natur- und Umweltamt Marzahn-Hohenschönhausen, ist mit der Aktion in ihrem Bezirk zufrieden. 53 Freiwillige, darunter 50 Schüler, haben im Schlosspark Biesdorf das Laub von 69 Kastanien gesammelt: 40 Kubikmeter Laub, also etwa eineinhalb große Container. Seit Ende Oktober griffen zudem zehn Sozialhilfeempfänger zur Harke. Wichtiges Ziel der Bürgerbeteiligung sei aber auch, die Menschen im Bezirk für das Motten-Thema zu sensibilisieren: „Damit sie auch in den eigenen Gärten und in Straßen, wo die BSR nicht kehrt, aktiv werden.“

Diese Ansicht teilen viele der Grünflächenamtsleiter, betonen aber auch die Erfolge im Kampf gegen die Motte. „Die Bürgeraktionen waren schon eine Hilfe, etwa dort, wo wir mit Großgeräten nicht hinkommen. Positiv ist auch, dass das bürgerschaftliche Engagement dadurch wieder auflebt“, lobt Elke Huber, Leiterin in Spandau. In Spandau wurden 10 Schulklassen aktiv, zudem kamen 41 von 80 angekündigten Sozialhilfeempfängern.

Andreas Geisel, Stadtrat für Umwelt und Gesundheit in Lichtenberg-Hohenschönhausen, war über die Beteiligung richtig überrascht: Zur dortigen Sammelaktion am 30. Oktober kamen 148 Bürger und Schüler. So viele Menschen an einem Tag hätte das Grünflächenamt nie allein auf die Beine bekommen. So konnte das Laub in drei Parks und im Zentralfriedhof Friedrichsfelde komplett aufgelesen werden. „Zumindest dort wird die Miniermotte im nächsten Jahr wohl viel später auftreten“, umschreibt Geisel den dennoch eher kleinen Erfolg gegen die Masse der Motten. Schließlich blieb die Lichtenberger Supersammelaktion eine Eintagsfliege.

Beate Profé, Referatsleiterin für Stadtgrün und Umweltplanung in der Senatsverwaltung, resümiert dennoch: „Ich sehe die Kampagne als Erfolg. Noch immer bekomme ich Schreiben von Privatinitiativen, die irgendwo Blätter auflesen wollen.“ Weniger zufrieden ist sie dagegen mit dem Einsatz der Sozialhilfeempfänger. Von den 600 aufgeforderten Personen seien nur 250 tatsächlich zum Rettungsdienst erschienen. „Ob den anderen nun die Kürzung der Sozialhilfe droht, entscheidet das jeweilige Bezirksamt“, so Profé.

Und dass das Problem der Miniermotte durch die Laubsammelaktionen nicht aus der Welt zu schaffen ist, sei von vornherein klar gewesen.

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