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„Blume“ mahnt Umdenken an

In Berlin tun sich die Autofahrer noch schwer mit dem Umstieg auf die Erdgastechnik. Unbegründete Vorurteile tragen dazu bei. Aufklärung und Schadstoffgrenzwerte widerlegen Skeptiker. Doch auch die Automobilindustrie muss noch zulegen

Ein allzu positives Image haben Erdgasfahrzeuge noch nicht bei Autofahrern Beratungsbedarf besteht, und es gibt Überzeugungsarbeit zu leisten

von ANDREAS RÜTTENAUER

„Blume“ – so heißt eine Veröffentlichung der Senatsverwaltung für Stadtendwicklung des Landes Berlin. Was sich beinahe poetisch anhört, ist in Wahrheit eine höchst prosaische Angelegenheit. Denn „Blume“ ist die Abkürzung für „Berliner Luftgütemessnetz“. In dem Senatspapier findet sich ein Satz, der für die Berliner Umweltpolitik von weitreichender Bedeutung ist: „In Berlin werden zurzeit noch die Grenzwerte für Partikel PM10 und Stickstoffdioxid überschritten.“

Die Grenzwerte wurden in einer EU-Richtlinie zur Begrenzung von Schadstoffen festgesetzt und sind äußerst anspruchsvoll. Ab 2005 treten sie in Kraft. Die Länder und Gemeinden werden allerhand unternehmen müssen, damit die Grenzwerte nicht überschritten werden. Die Verschmutzung mit Feinstaub, im Fachjargon Partikel PM10 genannt, wird in erster Linie durch den Kraftfahrzeugverkehr verursacht. Vor allem der Ruß in den Abgasen von Dieselmotoren belastet die Umwelt. Doch auch die von den benzingetriebenen Otto-Motoren angetrieben Autos tragen zur Verschmutzung mit Feinstaub bei.

Nach Angaben des Statistischen Landesamtes waren im Jahr 2001 in Berlin mehr als 1,4 Millionen Kraftfahrzeuge angemeldet. Doch nicht alle dieser Fortbewegungsmittel sind Dreckschleudern. Die ersten Pioniere, die auf den umweltfreundlichen Erdgasantrieb setzen, sind bereits auf den Straßen Berlins unterwegs. Und sie kommen gut voran. Denn an immerhin bereits zwölf speziellen Tankstellen, die relativ gut über die Bezirke verteilt sind, können sie ihre Autos betanken. Das ist ein Verdienst der Gasag, des großen Berliner Erdgasanbieters. Der Verkauf des Brennstoffs an den Zapfsäulen soll sich in den nächsten Jahren zu einem der Hauptgeschäftsfelder des Energieversorgers mausern. Die Anstrengungen in diese Richtung sind groß.

Um Autofahrer zum Umstieg auf Erdgasantrieb zu bewegen, vergibt die Gasag sogar Treibstoffgutscheine. Die ersten 100 Antragsteller, die ihr KFZ umgerüstet beziehungsweise sich eine neues erdgasbetriebenes Fahrzeug zugelegt haben, dürfen Gas für 777 Euro tanken. Die Gasag ist bei fast allen Projekten in der Stadt, die die Förderung der alternativen Antriebsart zum Ziel haben, mit an Bord.

Auch der ADAC, der ebenfalls den Erdgasantrieb propagiert, geht demnächst eine Kooperationsvereinbarung mit der Gasag ein. Der Automobilclub geht in punkto Antriebsalternative mit gutem Beispiel voran. In Berlin sind derzeit fünf erdgasbetriebene Pannenhilfefahrzeuge unterwegs. Ulf Rasch, beim ADAC für Verbraucherthemen und Umweltfragen zuständig, ist mit den eingesetzten Fahrzeugen überaus zufrieden. Obwohl die Autos durch ihre hohe Zuladung großen Belastungen ausgesetzt sind, sei es in den vergangenen zwei Jahren zu „keinerlei Problemen“ gekommen.

Derart gute Nachrichten sind noch Mangelware. Ein allzu positives Image haben Erdgasfahrzeuge nämlich noch nicht beim gemeinen Autofahrer. Auch Rasch sieht sich des Öfteren mit den immer gleichen Vorurteilen gegen Erdgasfahrzeuge konfrontiert. Zum einen heißt es, der voluminöse Gastank nehme einen Großteil des Platzes im Kofferraum in Anspruch, zum anderen wird beklagt, dass verboten sei, mit gasbetriebenen Pkws Tiefgaragen zu benützen.

Doch beides sind eben nur Vorurteile, die einer Überprüfung nicht standhalten. Die Automobilhersteller verstecken die Tanks nämlich im Unterbodenbereich. Und auch in den meisten Tiefgaragen darf das Erdgasgefährt geparkt werden. Auch von Schildern mit der Aufschrift „Keine Einfahrt für druckgasbetriebene Fahrzeuge“ muss sich der umweltbewusste Pilot nicht abschrecken lassen. Denn das Verbot gilt nur für Druckgas, welches schwerer ist als Luft, nicht also für Erdgas. Doch wer weiß das schon.

Es gibt also noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Auch innerhalb des ADAC bestehe, so Rasch, noch Handlungsbedarf. Man wolle allerdings die Techniker des Automobilclubs möglichst schnell umfassend schulen, damit sie die Mitglieder kompetent beraten können. Beratungsbedarf besteht noch zur Genüge – nicht nur in Fragen der Technik, sondern auch wenn es darum geht, das Fahrzeug steuerlich einzuordnen.

Unter die günstige Euro-IV-Norm fallen nämlich nur monovalente Fahrzeuge, also reine Erdgasautos, die nur noch über einen Nottank für Benzin verfügen. Die meisten Hersteller bieten allerdings nur die bivalente Technik an, bei dem Benzin- und Gasantrieb gleichwertig nebeneinander existieren. Hier bleibt allein der Vorteil der niedrigeren Mineralölsteuer für Erdgas.

Auch die Automobilindustrie ist also gefragt, wenn es darum geht, Autofahrer zum Ausstieg aus der Benzin- und Dieseltechnologie zu bewegen. Zwar gibt es auch andere umweltfreundliche Antriebsarten. Doch die Brennstoffzellentechnik steckt noch in den Kinderschuhen und eine ökologisch sinnvolle Herstellung von Wasserstoff liegt noch in weiter Ferne. Die Städte, natürlich auch Berlin, müssen also vermehrt den Erdgasantrieb fördern, um die Grenzwerte der EU bis 2005 nicht mehr zu überschreiten. Es wird schwer genug.

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