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standbildKüss die Hand, Herr Kanzler

„Wahldiskussion“, (Donnerstag, 22.30 Uhr, ORF 2)

Rund eine Million Wahlberechtigte sollen sich noch nicht entschieden haben, welcher Partei sie am 24. November ihre Stimme geben – oder ob sie nicht überhaupt zu Hause bleiben. Zehn Tage vor dem Schicksalstag lagen die Sozialdemokraten mit der ÖVP von Bundeskanzler Schüssel Kopf an Kopf bei etwa 38 Prozent, Grüne und FPÖ konkurrierten knapp oberhalb der 10-Prozent-Marke um den dritten Platz. Niemand traut sich daher zu, ernsthafte Prognosen zu stellen, ob die Wendeallianz ÖVP-FPÖ verlängert wird, ob mit Rot-Grün die Wende von der Wende kommt oder sich ganz andere Konstellationen ergeben. Dementsprechend wichtig waren die sechs TV-Duelle, bei denen die vier Parteichefs einander jeweils paarweise gegenübertraten. Höhepunkt naturgemäß das „Kanzlerduell“ zwischen Wolfgang Schüssel und Alfred Gusenbauer.

Das Match ging eindeutig an den Herausforderer. Da sind sich fast alle Umfragen und Kommentatoren einig. Denn Gusenbauer hatte sich offenbar perfekt vorbereitet, verstand es, den gefüchteten Tiefschlägen des Kanzlers geschickt auszuweichen, und stellte – treu dem Wahlslogan: Politik für die Menschen – den abstrakten Erfolgszahlen der Wenderegierung die konkreten menschlichen Gesichter der Wendeverlierer gegenüber: arbeitslose Jugendliche, besteuerte Unfallrentner, der unentgeltlichen Mitversicherung beraubte Ehefrauen, Studenten aus Arbeiterhaushalten. Schüssels Versuche, Gusenbauer als Verräter zu brandmarken, der während der EU-Sanktionen gegen die Bundesregierung mit den Feinden Österreichs „in Paris champagnisiert“ habe und während der Hochwasserkatastrophe in Korsika am Strand gelegen sei, verliefen im Sande. Die Grüne Eva Glawischnig kritisierte denn auch die Inhaltsleere der Debatte und sah den Verdacht ihrer Partei bestätigt, die beiden Parteichefs strebten eine Neuauflage der rot-schwarzen Koalition an. In diesem Falle würde wohl einer der beiden Spitzenkandidaten nicht mehr dabei sein. Denn die persönlichen Antipathien, die vor der Kamera einmal mehr sichtbar wurden, dürften es unmöglich machen, dass diese beiden Männer in einer Regierung sitzen. RALF LEONHARD

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