: Villen in Bad Saarow
Schon vor hundert Jahren hatten Immobilienhändler ein gutes Näschen, wenn es um Profite ging. So kaufte die Landbank A. die zu den Rittergütern Saarow und Pieskow gehörenden Wälder, um für finanzkräftige, hauptstadtmüde Berliner Sommerresidenzen zu bauen. Nachdem 1914 ein Moorbad erbaut, 1927 eine Heilquelle erschlossen, Golf- und Tennisplätze angelegt und der durch seine elf Kilometer lange Nord-Süd-Ausdehnung ideale Segelsee für internationale Regatten genutzt wurde, zog der Ort wie ein Magnet Prominente aus den unterschiedlichsten Kreisen an. Wer in welchem Haus wann einmal gewohnt hat, erläutert der Heimatforscher Reinhard Kiesewetter in einem Fotoband. Da wimmelt es von Geschichten über Fabrikanten, Künstler, Nazis und Militärs, die sich zum Teil äußerst extravagante Architektur an den See bauen ließen. So etwa die fassartig gebaute Holzvilla „Parolo“ des Fondsmaklers Paul Zeidler (siehe Foto). Auch der Nazibildhauer Ludwig Thorak zog es vor, ganz im Gegensatz zu seinen Monumentalstatuen, in einem reetgedeckten Haus, das an die Heimat von Schneewittchens sieben Zwergen erinnert, zu wohnen. In den einzelnen Lebensgeschichten spiegelt sich die deutsche Geschichte auf eindringliche Weise. Die jüdischen Villenbesitzer etwa flüchteten allesamt vor den Nazischärgen, wie Zeidler, der nach Schanghai ging. Nach dem Krieg beherbergten die Villen Ferienheime und Sanatorien. Heute erstrahlen viele der Häuser wieder im neuen Glanz. Manche allerdings haben, nun mit Thermopenfenstern und eckigen Satteldachgauben versehen, an Schönheit verloren. Und man fragt sich, ob der Denkmalschutz geschlafen hat. CB
„Traumgehäuse Bad Saarow“, Förderverein Kurort Bad Saarow e. V. (Hrsg.). 8 Euro, erhältlich unter anderem bei der Tourismusinformation Bad Saarow und bei der Scharmützel Schifffahrtsgesellschaft, Tel. (03 36 31) 24 19
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