branchenintimitäten: Tapferkeit vor dem Freund
Wenn gegen Jahresende das Fernsehen nach seinem Besten sucht, steht der Sieger im Allgemeinen schnell fest: Die Geschichte der Familie Mann, von Heinrich Breloer und Horst Königstein so beeindruckend wie ausladend verfilmt. Mit Grimme- und Deutschen Fernsehpreisen reich behängt standen „Die Manns. Ein Jahrhundertroman“ also auch auf dem Programm des Fernsehfilmfestivals Baden-Baden, das sich von allen derartigen Veranstaltungen am ehesten seinen intimen Charme bewahren konnte. Ja, in Baden-Baden sind Regisseure wie Redakteure wirklich da. Und sagen sogar manchmal, was sie denken.
Zum Beispiel, dass in der allgegenwärtigen Branchenkrise auch Chancen liegen, weil es dem satten Mittelmaß im gut gefüllten deutschen Produktionsmarkt jetzt an den Kragen geht. Dass viele Filme „einfacher werden“ dürften, wie es Gloria Burkert („Der Felsen“, „Nirgendwo in Afrika“) ganz nüchtern formulierte. Und dass Sender wie ProduzentInnen endlich klarer formulieren müssten, was sie von einander erwarten. Eine „Ernüchterung, ohne das die Leidenschaft sinkt“ nannte das ZDF-Fernsehspielchef Hans Janke (nach der Posse um die Besetzung der Programmdirektion seiner Anstalt kennt er das Gefühl), und forderte angesichts der kommenden „schwierigen Jahre“ schlicht „mehr Tapferkeit gegenüber den Freunden“.
Die dazu gezeigten Filme lassen von schwierigen Jahren (noch?) nichts vermuten. Polizeistoffe dominierten die zwölf Wettbewerbsbeiträge – und die Befürchtung, all das sei gegen die übermächtigen „Manns“ nur schwer einzuordnen. Doch die vom langjährigen WDR-Chefdramaturgen Martin Wiebel angeführte Jury schreckte das wenig, obwohl sie – bis auf eine herrliche impulsiv-subjektive Martina Gedeck – selten über kritische Standardworte hinauskam. Schon früh zum „Meisterwerk“ (Jurymitglied und Medienwächter Norbert Schneider) erhoben war Christan Petzolds „Toter Mann“. Und als Jurychef Wiebel am Freitagabend im Baden-Badener Kurhaus auf den Tisch stieg, um das Ergebnis zu verkünden, war es eben auch jenes lakonisch-tragische Stück über die Liebe, dass sich gegen den vom TV-Publikum in der parallel bei 3sat laufenden Abstimmung erstplatzierten „Die Hoffnung stirbt zuletzt“ durchgesetzt hatte. (Marc Rothemunds Film bekam dafür zwei Darstellungspreise für Anneke Kim Sarnau und Axel Prahl.)
Etwas zu vollmundig als Premiere angekündigt war dann noch das „Himmelreich auf Erden“ (läuft am 2. Dezember) – der vom ZDF absurderweise als Komödie angekündigte Film lief bereits im Sommer bei der Cologne Conference.
Und die „Manns“? Für sie gab es am Ende nur herzlichen Applaus. Auch das war dann wohl ein Stück Tapferkeit vor dem Freund. STEFFEN GRIMBERG
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