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Großes Köpferollen bei der FPÖ

Nach ihrem grandiosen Wahldebakel ist bei Österreichs Freiheitlichen jetzt die Reinigung der Partei das Gebot der Stunde. Zehn Haider-Kritiker sind mittlerweile abserviert. Doch ausgerechnet Kärntens Landeshauptmann zeigt sich jetzt zurückhaltend

aus Wien RALF LEONHARD

Die FPÖ, bei den Wahlen vom vergangenen Sonntag von 27 auf 10 Prozent abgestürzt, versucht ihre Krise durch eine groß angelegte Säuberungswelle zu überwinden. Nachdem der Bundesparteivorstand Montagnacht den Parteiausschluss von Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Ex-Fraktionschef Peter Westenthaler beschlossen hatte, begann auch in mehreren Landesparteisektionen das Köpferollen. Insgesamt zehn Haider-Kritiker wurden verstoßen.

Das scheint selbst dem Übervater Jörg Haider zu weit zu gehen. Alle, gegen die das Verfahren eingeleitet worden sei, hätten die Möglichkeit, „zur freiheitlichen Gesinnungsgemeinschaft zurückzukehren“, versicherte er gestern. Parteichef Herbert Haupt sekundierte mit einer Presseerklärung. Er sei nicht bereit, eine über die Rausschmisse hinausgehende Säuberung mitzutragen. Alle Betroffenen sollen „in einem ordentlichen Verfahren eine faire Chance“ erhalten. Nach den FPÖ-Statuten kann man gegen den Parteiausschluss Berufung einlegen. Dann entscheidet ein Schiedsgericht. Der für den 8. Dezember anberaumte Bundesparteitag, so Haupt, solle eine „Konsolidierung auf breitester Basis“ ermöglichen.

Nicht alle Landesparteiorganisationen wollen sich offenbar bremsen lassen. Vor allem die Niederösterreicher, die ihren Exchef Hans-Jörg Schimanek wegen Haider-kritischer Äußerungen verstoßen wollen, zeigen sich entschlossen, die Reinheit der Partei herzustellen. Auch in Oberösterreich und der Steiermark wurden hohe Funktionäre ihrer Mitgliedschaft beraubt. Die Parteistatuten sehen den Ausschluss von Mitgliedern vor, deren Verhalten die Partei schädigt, ihren Zusammenhalt gefährdet oder ihren Zielen Abbruch tut.

Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer zeigte sich schockiert. Auf Staatsbesuch in China wurde sie von der Säuberungswelle überrascht: „Wenn jetzt alle, die jahrelang für die Partei und loyal mir gegenüber gearbeitet haben, gesäubert werden sollen, ist das nicht mehr meine Partei.“ Der Ausschluss von Grasser, Westenthaler und Ex-Mandatar Helmut Haigermoser übersteige ihre Vorstellungskraft: „Die Art, wie Menschen jetzt diffamiert und öffentlich hingerichtet werden, hat es nie gegeben.“

Peter Westenthaler, jahrelang treuester Erfüllungsgehilfe Haiders, will sich zur Wehr setzen. Er hatte Jörg Haider nahe gelegt, sich zu „vertschüssen“, um einen „absoluten Neuanfang“ zu ermöglichen. Jetzt drohte er an, „zu Papier zu bringen, was bisher nicht gesagt wurde.“ Man dürfe „Deftigkeiten“ erwarten.

Haiders plötzliche Milde dürfte ein Diktat seines Überlebenstriebes sein. Die Restpartei, die nach ihrem Absturz auch bedeutender staatlicher Fördermittel verlustig geht, kann sich ein Abservieren aller Dissidenten nicht leisten. Die noch verbliebenen Anhänger Susanne Riess-Passers sollen ihre Bedingungen für eine Bestätigung des designierten Parteiobmanns Herbert Haupt formuliert haben. Der noch amtierende Sozial- und Frauenminister ist zwar ein bedingungsloser Freund Haiders, gilt aber als letzte Integrationsfigur in der zerstrittenen Partei.

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