: Die wahre FDP des wahren J. W. Möllemann
Der bekannteste Kranke der Republik ist ab heute wieder gesundgeschrieben und will gleich eine neue Partei gründen
BERLIN taz ■ Es sah ein bisschen so aus, als würde da eine Wachsfigur im ARD-Studio sitzen. Jürgen W. Möllemann glänzte gestern Abend ganz unnatürlich braun, wie übermäßig geschminkt, und verzog kaum das Gesicht. Nur der treuherzige Augenaufschlag funktionierte noch so gut wie immer; man konnte die Inkarnation der verfolgten Unschuld betrachten.
Er wolle in der FDP weiterarbeiten – „wenn man mich lässt“. Und wenn nicht? In der heutigen Ausgabe des Stern wird Möllemann am deutlichsten: Wenn die FDP ihm den „politischen Prozess“ mache und ihn „rausschmeißt“, dann könnte er sich durchaus vorstellen, über eine neue Partei nachzudenken, „die sich liberalen Zielen verbunden fühlt“. Wer diese Konkurrenz verlieren würde, ist nach Möllemann klar: Es wäre „das Ende der FDP. Zwei Parteien werden es nicht nebeneinander schaffen.“ Denn, wie sich Möllemann in der ARD mokierte, es werde in der FDP ja sowieso „nur gelabert, nicht entschieden“.
Das waren auch schon die größten Neuigkeiten dieser Interview-Offensive, die das wochenlange Schweigen von Möllemann beendete. Der Zeitpunkt der Wortlawine hat Sinn: Ab heute ist der FDP-Exvize nach einer Herz-Kreislauf-Schwäche wieder gesundgeschrieben. Ansonsten blieb Möllemann dabei, dass er die etwa eine Million Euro für das Anti-Friedman-Flugblatt aus seinem „Privatvermögen“ finanziert habe. Schließlich habe er mit seinen politischen Ämtern bis vor kurzem noch monatlich 41.000 Mark verdient. Hinzu kamen „Glück“ bei „Geldanlagen“ und „Erfolgsprovisionen“ bei „Beratergeschäften“. Aber selbstverständlich habe er 1991 nicht den Verkauf von 36 „Fuchs“-Panzern nach Saudi-Arabien vermittelt. Schon bei der Gründung seiner Web Tec habe er entschieden: „Es wird zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Waffengeschäfte geben.“
Die finanziellen Unregelmäßigkeiten bei der NRW-FDP in den Jahren 1999 und 2000 sind ihm völlig neu. Rund 600.000 Euro, die gestückelt und verschleiert wurden? Davon will der ehemalige Landesvorsitzende Möllemann auch erst am Vortag in der Presse gelesen haben. „Ich war nicht der Schatzmeister“, fiel ihm dazu ein. Sein Nichtwissen würde Möllemann allerdings gern teilen. Bitter beschwerte er sich im Stern, dass „kein Präsidiumsmitglied“ mit ihm gesprochen habe. Aber er halte „die Hand ausgestreckt“.
Davon will die FDP jedoch nichts wissen, die ebenfalls zur Interview-Offensive überging. So sah Parteichef Guido Westerwelle im heutigen Tagesspiegel „keine Veranlassung, das Gespräch mit Jürgen Möllemann zu suchen, nur um abermals eine weitere Spendenversion zu hören“. Seine Version kann Möllemann stattdessen bald gegenüber der Staatsanwaltschaft Münster loswerden. Sie will ein Ermittlungsverfahren eröffnen, weil der Verdacht besteht, dass die eine Million Euro für das Anti-Friedmann-Flugblatt in den 90er-Jahren nicht ordnungsgemäß versteuert wurde.
ULRIKE HERRMANN
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