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Das Flaggschiff sinkt

Pixelpark galt als Vorzeigefirma der New Economy. Doch jetzt steckt das 1991 in Berlin gegründete Unternehmen in enormen Schwierigkeiten. Der Betriebsrat gibt dem Management mit die Schuld an der Misere. Die Konzentration auf hoch spezialisierte Angebote und Großkunden sei falsch gewesen

Auf den schnellen Aufstieg folgte der rasante Fall der Vorzeigefirma

von RICHARD ROTHER

Feierabend. Der junge Mann, der an diesem trüben Herbstabend vor die Glastür des sanierten Fabrikgebäudes in der Friedrichshainer Rotherstraße tritt, zündet sich mit zitternden Händen eine Zigarette an und zieht eine schwarze Strickmütze tief in die Stirn. Fast so, als wolle er sich verstecken. Der hip gekleidete Mann sieht nicht aus, als könne er das Ende seines Arbeitstages genießen – hier, wo früher Narva Glühlampen produzierte und heute Pixelpark sitzt. Zögernd nur macht er sich auf den Heimweg: vorbei an nicht vermieteten Geschäftsräumen und einem leeren italienischen Feinkostladen, in den er einen kurzen Blick wirft. Einen Block weiter erreicht er den Eingang eines Lidl-Markts – der einzige Ort, an dem um diese Zeit noch Leben ist im schick sanierten Quartier zwischen Oberbaumbrücke und dem Bahnhof Warschauer Straße. Einen Moment zögert der Mann, die Plakate mit den Sonderangeboten am Eingang studierend, bevor er seine Zigarette fallen lässt und die Tür zum Billigsupermarkt aufstößt. Die New Economy ist auf dem Boden der Realität angekommen.

Und die sieht alles andere als rosig aus. Seit zwei Jahren wurden in regelmäßigen Abständen massenhaft Jobs beim einstigen Flaggschiff der New Economy abgebaut. Auf seinem Höhepunkt im Jahr 2000 hatte das Unternehmen weltweit mehr als knapp 1.000 Beschäftigte, im Moment sind es 450, davon rund 250 in Deutschland. Noch. In den letzten Wochen hielten sich Gerüchte, dass allein in Deutschland 200 Mitarbeiter gehen müssen, die Berliner Zentrale geschlossen wird. Gestern wollte Pixelpark bekannt geben, wie es weitergeht. Bis Redaktionsschluss wurde kein Ergebnis bekannt. Klar war aber zumindest, dass in Berlin ein erneuter Aderlass ansteht.

Der Aufstieg Pixelparks, der vor zehn Jahren begann, liest sich wie ein Märchen aus tausenden durchgemachten Tüftlernächten. 1991 gründet Paulus Neef mit zwei Freunden in einem Wilmersdorfer Gartenhaus das Unternehmen, das sich auf die Entwicklung von Kiosksystemen und CD-ROMs konzentriert. Zwischen 1991 und 1995 klettert der Umsatz von 600.000 Mark auf 7,7 Millionen. 1996 kauft sich der Medienriese Bertelsmann in das Unternehmen ein, ermöglicht so eine rasante Expansion. Pixelpark eröffnet neue Standorte in Deutschland, England, Frankreich und der Schweiz. Im Herbst 1999 geht Pixelpak an die Börse; der Kurs schnellt steil in die Höhe; in Berlin beginnen die Onlinefirmen zu boomen.

Auf den schnellen Aufstieg folgte der rasante Fall. Wie die meisten Internetfirmen hatte Pixelpark nach dem Boom, der den Aktienkurs auf das mehr als Hundertfache des heutigen Wertes trieb, mit dem Einbruch am Internetmarkt zu kämpfen. Trotz einer Reihe von Entlassungen und der Aufgabe von Geschäftsaktivitäten gelang es dem Firmengründer Neef nicht, die Verluste unter Kontrolle zu halten. Mehrere Versuche, das Unternehmen als Ganzes zu verkaufen, schlugen fehl. Im vergangenen Jahr machte Pixelpark 86 Millionen Euro Verlust.

Für den Fall des einstigen Vorzeigeunternehmens macht so manch Mitarbeiter nicht nur die schwierige Marktlage, sondern auch hausgemachte Fehler verantwortlich. „Das Management hat viel zu spät auf die veränderte Nachfrage reagiert“, sagt Betriebsrat Markus Kempken. Während man sich auf Großkunden spezialisiert und konzentriert habe, seien die mittelständischen Unternehmen vernachlässigt worden. „Diese Ausschließlichkeit ist Pixelpark zum Verhängnis geworden.“ Für Kempken ist es eine „Schande, dass der Laden nicht läuft“. Die Mannschaft arbeite schließlich hervorragend – „immerhin haben wir bis jetzt überlebt“.

Der Betriebsrat wurde bei Pixelpark vor zwei Jahren gegründet – als einer der ersten in der New Economy. In der Boomphase hatte noch so mancher davon geredet, eine traditionelle Beschäftigtenvertretung sei überflüssig, weil die Beschäftigten bei flachen Hierarchien ohnehin genügend Mitspracherecht hätten. Heute ist Art Director Kempken heilfroh, dass er den Job als Betriebsrat macht, der die eine oder andere Nachtschicht erfordert. „So können wir uns wenigstens auf Abfindungen und einen Sozialplan konzentrieren.“

Den meisten nutzt das nur kurzfristig; die, die gegangen sind, sitzen immer noch auf der Straße. Der Jobmarkt in Berlin ist leer gefegt; glücklich sind die, die nicht nur Webdesign studiert haben. Aber auch Programmierer müssen schauen, ob ihr Können noch gefragt ist. „Firmen, die wie Ebay noch neu einstellen, sind rar“, sagt Katja Karger, Projektmanagerin bei dem Gewerkschaftsprojekt Connexx.av, das sich um die neuen Medien kümmert. Zurzeit gebe es Unmengen an prekären Beschäftigungsverhältnissen. „Die Leute versuchen, irgendwie über die Runden zu kommen.“

Ob der Fall Pixelpark die Berliner Szene noch tiefer in den Abgrund zieht oder ob andere – deutlich kleinere – Unternehmen das Erbe antreten werden, ist für Karger noch nicht ausgemacht. Fest stehe aber, dass „sich der Senat viel zu wenig um die Unternehmen kümmert“. Nötig sei viel mehr Lobbyarbeit, auch müsse das Land Berlin seine Aufträge nicht in der ganzen Republik verteilen. Manchmal könnten auch kleine Bemühungen helfen. So säßen viele Firmen in überteuerten Büroräumen. „Hier könnte der Senat mal ein gutes Wort beim Vermieter einlegen.“

Pixelpark werden solche Initiativen jetzt kaum weiterhelfen. „Die Zukunft kann man am besten voraussagen, indem man sie selbst gestaltet“, verkündet Pixelpark dennoch auf seiner Homepage. Für die meisten Berliner Beschäftigten ist damit erst einmal Feierabend.

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