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Der Klub der akkreditierten Damen

Diplomaten haben in der Hauptstadt viel zu tun. Aber was machen ihre Gattinnen? Die Tropenmedizinerin Annemarie Ziefer und ihr Verein „Willkommen in Berlin“ nehmen sie unter die Fittiche. „Bei uns gibt es keine frustrierten Frauen“, sagt sie

von JANA SITTNICK

An einem kalten Novembervormittag lädt die Schweizer Botschaft zum Empfang: Ein Entrée ist nur per Namensliste möglich, und die in feines Tuch gehüllten Empfangsdamen wachen darüber, dass nur Befugte passieren. Man begrüßt die Gäste, elegant gekleidete, korrekt frisierte und dezent geschminkte Frauen. Man kennt sich – Küsschen hier, Küsschen da. Und wen man nicht kennt, dem gibt man trotzdem die Hand.

„Strictly women“ hätte der Untertitel dieser vornehmen Veranstaltung lauten können, die im Rahmen eines Beschäftigungsprogramms für Diplomatengattinen aus aller Welt stattfand. Denn die 99-prozentige Präsenz der Frauen unterschiedlichster Nationalitäten und ihr zahlreiches Erscheinen in der Schweizer Botschaft machte deutlich, wie wirksam das klassische Rollenspiel der Geschlechter noch immer ist, wenn es um Ämter, Funktionen und Familie geht: Der Mann macht Karriere im diplomatischen Dienst, die Frau kümmert sich um Haus und Kinder. Wenn das erledigt ist, dann geht sie sich beschäftigen. Und dabei hilft ihr der Club.

„Bei uns gibt es keine frustrierten Frauen“, sagt Dr. Annemarie Ziefer, „wir sind glücklich und zufrieden.“ Frau Ziefer meint damit in erster Linie sich und die Präsidiumsdamen, die in straff organisierter ehrenamtlicher Clubtätigkeit für das Wohl anderer sorgen. Die 63-Jährige Tropenmedizinerin und Mutter dreier Kinder ist die Präsidentin des Berliner Diplomatenclubs „Willkommen in Berlin“. Der seit 1999 unter diesem Namen tätige Club nimmt die Ehefrauen der in Berlin akkreditierten Diplomaten auf. Dazu zählen Botschaftergattinen und auch die Frauen „kleinerer“ Beamter. Mit 34 thematischen „Begegnungsgruppen“, die von deutschen, mehrsprachigen Mitgliedern geleitet werden und Inhalte anbieten von Golf und Fahrradfahren, über Literatur, Kochen und Konversation bis hin zu Kunst und Religion, will man Kommunikation und Gastlichkeit herstellen – auf hohem Niveau.

Annemarie Ziefer kennt die Situation der privilegierten Corps-Gattinnen. Sie selbst ist seit fast dreißig Jahren mit einem Diplomaten verheiratet, hat in Südafrika gelebt, in Burundi, Thailand, Großbritannien und den USA. Mittlerweile ist der Gatte außer Dienst und sie die Präsidentin eines Clubs, der in der Berliner Society keine unwichtige Rolle spielt. Die mit dem Auswärtigen Amt verbundene Organisation wird von diesem finanziell und administrativ unterstützt. „Willkommen in Berlin“ nutzt zwei Büroräume im Sitz des Außenministeriums am Werderschen Markt in Berlin-Mitte, ganz in der Nähe des Protokolls. „Wir können unseren Postverkehr über das Amt abwickeln“, sagt Frau Ziefer stolz. Auch Berliner Wirtschaftsunternehmen fördern den Club „großzügig“, die Namen ihrer Sponsoren will die Präsidentin allerdings nicht nennen. In Berliner Edelhotels, wie dem Dorint Schweizerhof, dem Savoy und dem Intercontinental, hält „Willkommen in Berlin“ den monatlichen Jour fixe ab, mit prominenten Gastrednern wie Christina Rau und Richard von Weizsäcker.

Annemarie Ziefer steht dem Präsidium des Clubs seit Juni vor. Sie hält ihre Einrichtung für ein äußerst wichtiges Integrationsmittel. Sie spricht von einem „Sozialschock“, den man bei der Ankunft im fremden Land oft genug erlebt, und den der Mann meist schneller verkraftet, weil der sich über sein Amt eher in die fremde Kultur integriert. Er hätte als „professioneller Zigeuner“ nicht dieselben Schwierigkeiten mit dem abrupten Wohnortswechsel, die Frau hingegen braucht oft länger, um sich anzupassen. Sie kann das Alltagsleben einrichten, die Kinder in die Schule schicken. Der Aufbau von persönlichen Kontakten jedoch ist schwieriger.

Alle zwei bis drei Jahre werden Diplomaten im Regelfall versetzt. Dazwischen bliebe doch genug Zeit, um sich an Land und Leute zu gewöhnen. Christa Mörstedt-Jauers Erfahrungen sind andere. „Erst muss man sich eingewöhnen, und im letzten Jahr knüpft man keine Kontakte mehr“, sagt die Presseverantwortliche des Diplomatenclubs, „da kann ja jederzeit der Abschied kommen.“

Fehlt der Frau also doch die Aufgabe in der „Welt“, reicht es nicht aus, Kinder zu erziehen, die Haushaltshilfe zu überwachen, und gelegentlich zu repräsentieren, um erfüllt zu sein? Eine Frage, die sich die Damen vom Club nicht in dieser Form stellen. Denn Frau Ziefer und Frau Mörstedt-Jauer sehen in der Familie nach wie vor das unantastbare weibliche Bewährungsfeld. Wer sich dem nicht stellt, erntet Unverständnis. Frau Mörstedt-Jauer, 50, früher als Redakteurin beim ZDF-heutejournal tätig, später dann hauptberuflich Ehefrau und Mutter, fragt, warum die Hälfte der jungen Akademikerinnen heute auf Kinder verzichtet – und was es denn Schöneres gäbe als Kinder. Sie beantwortet sich Letzteres gleich selbst. Darin läge schließlich „unsere Bestimmung als Frau“.

„Wir ersetzen den fehlenden Freundeskreis“, mildert Frau Ziefer ab, „und wir helfen den Leuten hier, sich zu vernetzen, mit dem Herzen.“ Und schließlich arbeite doch auch ein Mann besser, der eine glückliche Frau habe. An jenem Novembervormittag in der Schweizer Botschaft sind all jene erschienen, die vielleicht mit dem Club glücklich werden wollen. Die Themengruppe „Botschaften und Residenzen“ ist dran. Die Frauen stehen im Vestibül der alten Stadtvilla und lauschen den Worten der Schweizer Botschaftergattin Erika Baumann. Dann laufen sie durch die Räume, schauen sich die gewichtigen Schränke, Vitrinen und Fauteuils an, die Vasen, Bilder und Vorhänge. Anschließend gibt es Kaffee und Kuchen, angeboten von livrierten Kellnern.

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