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„Dies ist das denkbar schlechteste Ergebnis“

Die Türkei bekommt keinen Termin für Verhandlungen mit der EU – und versucht, darauf nicht mit Trotz zu reagieren

ISTANBUL taz ■ Mit großer Enttäuschung haben Politik und Medien in der Türkei auf die Entscheidung der EU regiert, über einen möglichen Beginn von Beitrittsverhandlungen erst im Dezember 2004 zu befinden. Die EU-Regierungschefs verabschiedeten bei ihrem Gipfel in Kopenhagen ein Abschlussdokument, in dem es heißt, die Union werde auf der Grundlage des im Oktober 2004 vorzulegenden Fortschrittsberichts der Kommission entscheiden, ob die Türkei die Kriterien für den Beginn von Beitrittsverhandlungen erfüllt. Ein konkretes Datum, wann die Verhandlungen dann beginnen können, nannten die Fünfzehn nicht.

Vor der Presse in Kopenhagen konnte auch der sichtlich erschöpfte türkische Ministerpräsident Abdullah Gül am Freitagnachmittag seine Enttäuschung nur mühsam verbergen. Im Anschluss an ein letztes Gespräch mit Frankreichs Präsidenten Chirac und Kanzler Schröder erklärte er, man habe ihm nahe gelegt, den Beschluss als Fortschritt anzusehen. Die beiden Staatschefs, so Gül, hätten ihm versichert, der Kopenhagener Gipfel habe den Beginn von Beitrittsgesprächen „im Prinzip“ festgeschrieben. Die EU habe gezeigt, dass sie sich nicht als christlicher Club definiert.

In den türkischen Zeitungen wird dagegen übereinstimmend von einer neuen „herben Enttäuschung“ und einer „kalten Dusche“ gesprochen. Die Türkei würde hingehalten und mit unverbindlichen Formulierungen abgespeist. Die meisten Kommentatoren, wie Ismet Berkan von der überaus EU-enthusiastischen Radikal, nannte den Beschluss das denkbar „schlechteste zu erwartende Ergebnis“.

Tatsächlich hatten auch die größten Skeptiker damit gerechnet, dass zumindest der im Vorfeld von Kopenhagen diskutierte deutsch-französische Vorschlag – nach dem Rendezvoustermin im Herbst 2004 Verhandlungsbeginn im Juli 2005 – durch die anderen EU-Chefs bestätigt würde.

Interpretationen, nach denen der jetzige Beschluss doch bereits einen Verhandlungsbeginn Anfang 2005 zulasse, werden durch die Enttäuschung überlagert, dass das Abschlussdokument des EU-Gipfels überhaupt keinen Termin für den Beginn von Verhandlungen nennt und deshalb völlig unverbindlich sei. Eine Auffassung, die offenbar auch die deutsche CDU teilt, die den Kopenhagener Beschluss freudig begrüßte.

Offen ist nun, wie sich die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei weiter entwickeln. Da die Hoffnung auf einen positiven Beschluss in der türkischen Öffentlichkeit wohl nie so groß waren wie vor diesem Gipfel, ist die Enttäuschung entsprechend. Immer mehr Stimmen sind zu hören, dass man von der EU schlicht und einfach nicht gewollt werde. So könnte nun ein „Luxemburg II“ drohen: Bereits 1997 hatte die Türkei nach einer für sie enttäuschenden Entscheidung über ihren Kandidatenstatus die gesamten Beziehungen zur EU auf Eis gelegt.

Dieser Befürchtung trat Ministerpräsident Gül in Kopenhagen entgegen, als er auf der Pressekonferenz sagte, man werde die Anstrengungen in Richtung EU unvermindert fortsetzen. Das gelte auch für das innenpolitische Programm der Regierung. „Wir haben die Reformen“, so Gül, „schließlich nicht für die EU, sondern für die türkische Bevölkerung gemacht.“

Wie es nun weitergeht, wird sich als erstes in den Zypern-Gesprächen zeigen. Rauf Denktasch, Chef der türkischen Zyprioten, ließ mitteilen, Nordzypern werde nicht eher der EU beitreten als die Türkei. In Ankara herrscht die Meinung vor, dass es nun sehr viel schwieriger sei, die griechischen Zyprioten zu Kompromissen zu bewegen, da diese seit gestern ihr Hauptziel, den EU-Beitritt erreicht, haben.JÜRGEN GOTTSCHLICH

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