: Staatsschutz will sich weiterbilden
Aktuelle Ausgabe der linkstheoretischen „Phase2“ beschlagnahmt. Behörden suchen Verfassungsfeindliches
BERLIN taz ■ Am 6. Dezember 2002 konfiszierte der Zoll an tschechisch-bayrischen Grenze die gesamte Auflage der in der Tschechischen Republik gedruckten sechsten Ausgabe der Phase2. Wurde anfangs ein Vergehen gegen die Zollvorschriften als Grund angegeben, bekommt die Angelegenheit jetzt eine politische Note: Am 11. Dezember entschied das Amtsgericht Wunsiedel, die linke „Zeitschrift gegen die Realität“ (Eigenwerbung) bleibe wegen des Verdachts auf „verfassungswidrige Inhalte“ und Steuervergehen weiterhin beschlagnahmt.
Die Zeitschrift, die sich als Forum für „linksradikale Organisierung und Diskussion“ versteht, wird vom Verein zur Förderung antifaschistischer Kultur e. V., dem Bündnis gegen Rechts aus Leipzig, der Antifaschistischen Aktion Berlin und der Autonomen Antifa/M aus Göttingen herausgegeben. Die Vorwürfe gegen Phase2 seien nicht weiter spezifiziert worden, sagte ein Redaktionsmitglied. Auch die Ermittlungsbehörden wollten keine Erklärung geben – man sei noch in der Prüfungsphase.
Und die dürfte für die Staatsschützer wenig ersprießlich sein. Denn im Unterschied zu autonomen Publikationen wie Radikal, die jahrelang immer wieder mit Verfahren überzogen wurde, ruft Phase2 nicht zu militanten Aktionen und Demonstrationen auf, sondern widmet sich der intellektuellen Debatte. So hat die beschlagnahmte Ausgabe den theorielastigen Themenschwerpunkt „Gefangen im Kapitalismus – Bürgerlichkeit, Staat, Glückseligkeit …?“. In den Beiträgen, die vollständig im Internet nachzulesen sind, geht es unter anderem um den linken Geschichtsbegriff oder die Bedeutung der Menschenrechte für die Linke – Themen, die eher den kritischen Soziologiestudenten als den Verfassungschutz interessieren sollten. Auch die bisher erschienen fünf Phase2-Ausgaben widmen sich fast ausschließlich linker Reflexion. Die antifaschistische Bewegung steht bis heute im Mittelpunkt vieler Beiträge. Hier hat das Blatt auch seine Wurzeln: Nachdem sich Ostern 2001 die Antifaschistische Aktion/Bundesweite Organisation (AA/BO) aufgelöst hatte, sollte Phase 2 in ein neues bundesweites Antifa-Projekt eingebettet sein – von dem allerdings nur die Zeitschrift übrig blieb.
Und die sieht sich durch die „faktische Konfiszierung“ in ihrer Existenz bedroht. „Die finanziellen Verluste durch entgangene Einnahmen durch den Verkauf sind für das Projekt kaum zu verkraften“, sagt ein Redaktionsmitglied. Eine Solidaritätskampagne soll jetzt für die Auslieferung der beschlagnahmten Ausgabe und die Sicherung des Projekts sorgen. PETER NOWAK
Weitere Informationen im Internet unter www.phase-2.org
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