Architekturfotograf Julius Shulman ist tot: Mehr als nur ein Haus
Julius Shulman ist 98-jährig in Los Angeles gestorben. Stilprägend setzten seine Bilder unter anderem Kaliforniens Architekturmoderne in Szene, ohne das Gebaute zu skulpturalisieren.
"Shulman, endlich mal ein Foto von einem, der verstanden hat, was ich aussagen will" - der begeisterte Ausruf Frank Lloyd Wrights galt einem Fotoamateur, dessen Arbeiten für die Architekturfotografie maßstabsbildend werden sollten. Jetzt starb der legendäre Fotograf Julius Shulman am 15. Juli im Alter von 98 Jahren in Los Angeles.
Shulman begann in den Dreißigerjahren zu fotografieren, gefördert vor allem von Richard Neutra, dessen Werkverzeichnis "Complete Works" ausschließlich mit Shulman-Fotografien illustriert ist. Seit 1936 entstand dieses Mammutwerk, eine Bilderschau der Architekturgeschichte des 20. Jahrhunderts, ein Gang durch die Dekaden, bei dem sich Shulman doch treu geblieben ist. Über ein halbes Jahrhundert lang fotografierte er ausschließlich in Schwarz-Weiß, um die Geometrie der Architektur zu betonen. Shulman begriff eine gute Architekturfotografie als die Kunst, den Gestaltungswillen des Architekten auf den Punkt zu bringen - als die Kunst, eine fotografische Synthese zu schaffen.
Bei aller Präzision und Sachlichkeit vermied es Shulman, das Haus pathetische zur Skulptur hochzustilisieren, indem er den Kontext ins Bild bringt: Oft setzt der 1910 in Brooklyn geborene Fotograf die Architektur in Beziehung zu ihrer landschaftlichen Umgebung oder lässt er Menschen in seinen Bildern auftreten, wie etwa bei der spektakulären Nachtaufnahme des 1959/1960 gebauten "Case Study House Nr. 22" (unser Foto) hoch über dem funkelnden Los Angeles - einer jener zeitlos-eleganten, transparenten, minimalistischen Glaskästen des kalifornischen Architekten Pierre Koenig, den Shulman durch seine Fotografien weltbekannt machte.
Koenig selbst fasste den optimistischen Geist jener kalifornischen Architekturjahre einmal so zusammen: "Als Outdoor Living immer wichtiger wurde, fühlten wir, dass unsere Häuser das reflektieren sollten. Der Außenraum war eine Kontinuum des Innenraums; wir planten die Gebäude ebenerdig, so dass der Außenraum nach innen fortgesetzt werden konnte. […] Architektur war viel mehr eine soziale Aufgabe als heute."
Oft wirken die Aufnahmen Shulmans wie Filmstills - sie deuten eine Story an, über deren Ausgang wir nur spekulieren können. "Ich verändere die Architektur nicht, sondern lege eine Qualität hinein, die sie magisch erscheinen lässt, so dass die Leute sagen: Das ist ein wunderbares Bild. Ich möchte in diesem Haus leben", sagte Shulman einmal über seine Arbeit.
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