Archäologische Ausgrabung in Berlin: Der weiße Stier war nie weg
Über 70 Jahre war die tonnenschwere Marmorskulptur verschwunden. Nun wurde sie im Humboldthain ausgegraben.
Bei dem Fundstück im Park handelt es sich nach Angaben des Vereins Unterwelten um die von Ernst Moritz Geyger geschaffene Marmorskulptur „Der weiße Stier“. Sie wurde im Jahr 1901 fertig- und in dem Park aufgestellt; seitdem hat die Skulptur einiges an Glanz und Stabilität verloren. Denn wohl 74 Jahre lang lag der Stier unter der Erde, nachdem er 1945, höchstwahrscheinlich durch Detonationswellen in den letzten Tagen des Krieges, zerstört und dann bei der Neuanlage des Parks 1948 zugeschüttet wurde.
„Wir wussten zwar von der Existenz der Statue“, berichtet Dietmar Arnold, Vorsitzender des Vereins Berliner Unterwelten, bei der Vorstellung des Fundes am Dienstag. „Doch wir glaubten, dass sie, wie viele andere Bronzestatuen, im Zweiten Welttkrieg eingeschmolzen wurde.“ Eine Fehlannahme, wie sich erst letztes Jahr herausstellte durch einen Bericht in der Weddinger Kiezzeitung Brunnenmagazin. Darin hieß es, der Stier sei aus Marmor. „Der Bericht war die Initialzündung dafür, mich intensiv mit der Suche nach der verschollenen Statue zu befassen“, erzählt Dietmar Arnold.
Nur der Kopf ist abgetrennt
Geophysikalische Erkundungen im Februar ergaben, dass der weiße Stier direkt an seinem einstigen Platz liegt, nur eben vergraben. Es sei erstaunlich, dass der komplette Torsus noch intakt sei und lediglich der Kopf und die Gliedmaßen abgetrennt seien, berichtet Archäologin Claudia Melisch. Auch fand man neben der Skulptur noch einige andere interessante Sachen in der Erde, etwa einen Tonpfeifenstiel – dem Vorläufer der Papierzigarette – sowie noch ältere Keramiksplitter aus der Barockzeit.
Was nach der Ausgrabung mit der Skulptur geschieht, ist noch ungewiss. Am wahrscheinlichsten sei jedoch, so Dietmar Arnold, dass man wie bei der nahe liegenden Himmelfahrtskirche ein archäologisches Fenster über die Skulptur baut und der Stier somit im Humboldthain bleiben kann. So wolle man zeigen, „wie lange es braucht, um Kriegsfolgen aufzuarbeiten“, wie aus der Mitteilung der Berliner Unterwelten zu entnehmen ist. Entscheiden muss darüber letztlich die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken