Arbeitsschutz in der EU: Weniger Inspektion, mehr Pandemie
Laut Europäischem Gewerkschaftsbund sinkt die Zahl der Arbeitsschutz-Inspektionen. Das würde nicht nur in Deutschland mehr Neuinfektionen bedeuten.
Deutschland und die EU sparen am Arbeitsschutz und bei Inspektionen am Arbeitsplatz – und riskieren damit mehr Corona-Infektionen. Davor warnt der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) in einer Studie, die am Mittwoch erscheint. Demnach ist die Zahl der Inspektionen in Schlachthäusern, Fabriken und anderen Betrieben seit 2010 um ein Fünftel gefallen.
Statt 2,2 Millionen habe es europaweit nur noch 1,7 Millionen Überprüfungen gegeben, heißt es in der Studie, die der taz vorab vorlag. In Deutschland ist die Zahl demnach um 232.000 gesunken. Ein Grund sei der Sparkurs bei der Arbeitsaufsicht, dem in den 22 untersuchten Ländern mehr als 1.000 Jobs zum Opfer gefallen sind.
Jedes dritte EU-Land erfüllte nicht mehr die Norm der Internationalen Arbeitsagentur ILO von einem Inspekteur auf 10.000 Arbeiter. In Portugal und Malta sank die Zahl der Inspektionen um über 50 Prozent; in Belgien und Rumänien ist fast die Hälfte der Inspekteure eingespart worden. EU-weit wurde um 8 Prozent gekürzt.
„Es ist ein Skandal, dass die Zahl der Sicherheitschecks am Arbeitsplatz ausgerechnet in der Zeit von Covid-19 auf ein Minimum fällt“, sagt der stellvertretende EGB-Generalsekretär Per Hilmersson. Viele seien der Austeritätspolitik zum Opfer gefallen; Industriejobs würden so anfälliger für Infektionen.
Corona-Ausbrüche in deutschen Schlachtbetrieben
In Deutschland habe sich das an den Corona-Ausbrüchen in Schlachthäusern gezeigt, so Hilmersson. Im Sommer 2020 mussten reihenweise Fleischfabriken geschlossen werden, weil sie sich zu Corona-Hotspots entwickelt hatten. Teils wurden auch die Wohnviertel der Arbeiter abgeriegelt, um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern.
Besserung ist nicht in Sicht. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat die Länder zwar aufgefordert, den Arbeitsschutz strenger zu kontrollieren. Doch zugleich verstärkt die EU-Kommission in Brüssel den Versuch, angeblich überflüssige Arbeitsschutzregeln abzuschaffen.
Unter dem Motto „One-in, one-out“ will Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) die Sozialgesetzgebung entschlacken. Für jedes neue EU-Gesetz soll ein altes entfallen. Das kann auf Kosten des Arbeitsschutzes und damit der Gesundheit gehen, warnt der EGB.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?