Arbeitsrechtler über Daimlers Bluttests: "Das ist ein Skandal"
Bei Daimler sahen sich Bewerber jetzt mit Bluttests konfrontiert. Warum das ein Skandal ist und wie Sie sich vor derartiger Schnüffelei durch die Arbeitgeber schützen können, erfahren Sie im taz.de-Interview.
Sind Bluttests in deutschen Unternehmen üblich, Herr Goetz?
Christian Goetz: Nein. Das ist nicht üblich. Zwar kommt es schon vor, dass bei Einstellungen eine ärztliche Untersuchung Bestandteil ist – aber dann auch immer nur mit Einwilligung. Leider ist es so, dass sich viele auf derartige Tests einlassen, aus Angst, sonst gleich aus dem Bewerbungsverfahren raus zu sein. Sie wollen die Stelle ja haben.
Sind Bluttests gesetzlich geregelt?
Das nicht, aber das Bundesarbeitsgericht hat sich in den letzten Jahren sehr intensiv und immer wieder mit dem Thema Bewerbungsgespräche befasst. Hierfür hat es einen Fragenkatalog entwickelt – und Fragen nach Krankheiten sind nicht erlaubt.
Der Arbeitnehmer kann sich solchen Fragen verweigern und darf auch die Unwahrheit sagen.
Ist das, was bei Daimler da jetzt gelaufen ist, denn eigentlich etwas besonderes?
Oh ja – das ist auf jeden Fall ein Skandal. Aus einer Blutanalyse können Sie ja sehr viele Informationen ziehen, ob über Krankheiten oder über Drogenkonsum. Da wurde massiv in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer eingegriffen. Der Arbeitgeber darf seine Macht nicht so ausüben, dass die Persönlichkeitsrechte derart eingeschränkt werden.
Gilt das ausnahmslos?
Nein, natürlich kommt es immer auf den Job an. Bei Aufgaben mit Gefahrenpotenzial gilt das nicht, Standardbeispiel Alkoholkrankheit. Bei Kraftfahrern wäre das gefährlich. Kleinere Speditionen verzichten aber oft auch auf eine derartige ärztliche Untersuchung und verlangen oft nur ein Attest über die Fahrtauglichkeit.
Auch bei Beamten ist die Schwelle höher, da sie auch bei Arbeitsunfähigkeit ihr Leben lang vom Staat Dienstherrn alimentiert werden. Aber auch hier gilt: Auskünfte an den Arbeitgeber über einzelne Gebrechen sind tabu, der Arzt darf stets nur bescheinigen, ob der Beamte dienstfähig ist – oder eben nicht. Mehr als Ja/Nein ist nicht gestattet.
Wie kann sich denn der Einzelne gegen solche Tests schützen?
Gehen Sie in jedem Fall an die Öffentlichkeit! Ob jetzt nach einem Bewerbungsverfahren oder wenn so etwas in ihrem Betrieb angeordnet wird: Bei einer Weigerung und einer dann erfolgten Nichteinstellung, Abmahnung oder Kündigung können Sie vor's Arbeitsgericht ziehen. Es ist wichtig, dass solche Fälle publik gemacht werden, damit die Unternehmen solche Eingriffe in die Privatsphäre der Arbeitnehmer in Zukunft unterlassen.
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