piwik no script img

Arbeitskampf der IG MetallWeniger ist mehr

Endlich traut sich die IG Metall wieder, Forderungen zur Arbeitszeit zu stellen. Zu Recht, denn von einer kürzeren Arbeitswoche profitierten alle.

Metaller-Demo im unterfränkischen Schweinfurt am Dienstag Foto: dpa

Rund 60 Jahre ist es her, dass die Gewerkschaften, allen voran die IG Metall, im westdeutschen Wirtschaftswunderland für eine gesellschaftspolitische Erneuerung kämpften, die unser aller Leben in Deutschland noch heute prägt – und die, global gesehen, noch längst keine Selbstverständlichkeit ist: die 5-Tage-Arbeitswoche.

„Samstags gehört Vati mir!“ war der Spruch dazu, der viele mobilisierte – weil er den Zeitgeist traf und weil bei dem starken Wirtschaftswachstum die ökonomischen und politischen Bedingungen günstig waren, höhere Löhne und verkürzte Arbeitszeiten für Arbeitnehmer durchzusetzen.

Heute versucht es die IG Metall wieder mit einer – vergleichsweise bescheidenen – Innovation der Arbeitszeiten. Dazwischen lag noch der erfolgreiche Kampf um die 35-Stunden-Woche in Westdeutschland in den 1980er Jahren und der in den nuller Jahren gescheiterte Versuch, diese auch in Ostdeutschland einzuführen.

Gut eineinhalb Jahrzehnte später traut sich die Metallergewerkschaft also wieder, arbeitszeitpolitische Forderungen in einer Tarifrunde zu erheben. Die größte Einzelgewerkschaft der Welt fordert: Jeder und jede Beschäftigte der Metall- und Elektrobranche soll seine Arbeitszeit für bis zu zwei Jahre auf 28 Stunden pro Woche reduzieren können – mit dem Recht, anschließend zur Vollzeit zurückzukehren. Während der Phase der reduzierten Arbeitszeit sinkt auch der Lohn; allerdings sollen Extrazahlungen den Verdienstverlust begrenzen – die unverschämt hohe Miete muss ja bezahlt werden.

Flexibilität, wie sie die Leute wollen

Manchen mag die Forderung kompliziert und bürokratisch erscheinen, aber sie entspricht dem Zeitgeist und dem Willen der IG-Metall-Mitglieder, die sich in einer internen Befragung zu 83 Prozent dafür aussprachen. Warum? In Zeiten, in denen Arbeitgeber immer mehr Flexibilität ihrer Beschäftigten erwarten (bis hin zur ständigen Erreichbarkeit), wollen die Arbeitnehmer eine Art von Flexibilität, die auch ihnen nutzt.

Die Gründe, vorübergehend weniger zu arbeiten, sind vielfältig. Naheliegend sind sie bei Eltern, die sich um ihre Kinder kümmern wollen. Sei es, dass sie bei den Hausaufgaben helfen oder die Gören vom Daddeln abhalten wollen; sei es, dass sie sich ehrenamtlich im Sportverein oder im Laientheater der Kinder engagieren wollen. Naheliegend ist eine Arbeitszeitreduzierung auch für diejenigen, die Angehörige pflegen. Und für alle, die eine Weile beruflich langsamer treten wollen, weil es besser für ihre Gesundheit ist.

Solche Arbeitszeitreduzierungen nützen letztlich auch den Arbeitgebern, denn sie steigern die Zufriedenheit und die Motivation der Beschäftigten und stärken deren Gesundheit. In Zeiten des Fachkräftemangels müsste es den Unternehmen eigentlich lieb sein, gute Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu halten. Leider sprechen kurzfristige betriebswirtschaftliche Erwägungen dagegen: Die Auftragsbücher sind voll, sodass es für Arbeitgeber eher naheliegt, die Beschäftigten mehr arbeiten zu lassen.

Auf dem Weg in die Hochkonjunktur

Allerdings weiß auch die IG Metall, dass sich Deutschland auf dem Weg in eine Hochkonjunktur befindet. Bevor sich also Unternehmer das große Geschäft durch lange Streiks versauen lassen, sollten sie lieber etwas mehr Lohn zahlen oder ihren Leuten mehr Freizeit genehmigen.

Zu gönnen wäre es den Metallern, die damit Vorreiter für Millionen andere wären. Und was kommt danach? Vielleicht das hier: eine 4-Tage- beziehungsweise 32-Stunden-Woche bei ­vollem Lohnausgleich!

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • "Und was kommt danach? Vielleicht das hier: eine 4-Tage- beziehungsweise 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich!"

     

    Das stand vor über 10 Jahren schon im Wahlprogramm der PDS...

  • Von wegen 35-Stunden-Woche. In den meisten Betrieben sind nach wie vor 40-Stunden-Verträge üblich.

     

    Es ist leider viel zu einfach für alle Arbeitgeber, aus der Tarifbindung auszusteigen, indem sie Tochterunternehmen ("Servicegesellschaften") gründen und die Mitarbeiter dorthin versetzen. Die Tochter wird als Subunternehmen beauftragt, meist per Werksvertrag. Dann gibt's schon mal keinen IG-Metall-Tarif mehr. Wenn überhaupt, dann einen Verdi-Tarifvertrag für Dienstleister. Der aber für die Arbeitnehmer fast immer wesentlich unvorteilhafter ist.

    Eine andere Finte: Keine festen Mitarbeiter beschäftigen, sondern Leiharbeiter. Die haben natürlich auch keine IGMetall-Tarifbindung.

     

    Solange die gesetzlichen Möglichkeiten das zulassen, ist jedes erstrittene Ziel der Gewerkschaften umgehbar und ohne Durchschlagkraft. Da die Politik am Rockzipfel der Konzerne und Finanzmärkte hängt, ist das sicher auch gewünscht.