Arbeitskampf bei Lieferservice: Jetzt schlägt's dreizehn für Deliveroo
Aktivisten gegen Arbeitsunrecht veranstalten eine Demonstration gegen Lohndumping, Ausbeutung und Steuerbetrug.
Als Protest finden am morgigen Freitag in neun der 15 Städte, in denen Deliveroo vertreten ist, Fahrraddemonstrationen statt.
Diese fahren an Deliveroo-Büros und „besonders fiesen“ Restaurants vorbei, heißt es auf der Vereins-Website. Das Motto lautet „Deliveroo, shame on you“. In einigen Städten finden auch Demonstrationen gegen die Restaurantkette Nordsee statt.
Der Verein wirft Deliveroo vor, dass es die Arbeitsverträge der Fahrer explizit erlauben, Dritte für sich arbeiten zu lassen. Das schaffe die Möglichkeit, Subsubunternehmen zu bilden, die von Deliveroo die Liefergebühren kassieren, während die eigentlichen Fahrer ausgebeutet würden. Letzlich sei das folgenlos bleibendes Lohndumping. Der Konzern ziehe sich aus der Verantwortung, weil der Vertrag an anderer Stelle eine eigene Klausel gegen Menschenhandel beinhalte.
Ohnehin sei es zumindest fragwürdig, dass das Unternehmen seine Fahrer als „Vertragspartner“ bezeichnet. Da sie oftmals de facto wie Angestellte arbeiteten, fördere Deliveroo Scheinselbstständigkeit, erklärte Vereinssprecher Elmar Wigand. Damit umgehe das Unternehmen Sozialabgaben und Krankenversicherungsbeiträge und müsse keinen geregelten Schichtbetrieb sowie Stundenlöhne organisieren.
Außerdem arbeite der Konzern „routinemäßig mit sachgrundlosen Kettenbefristungen“, so Aktion gegen Arbeitsunrecht. Dadurch würden längerfristige Beschäftigungen umgangen.
Deliveroo hielt dagegen und sagte, dass das freiberufliche Modell ihnen erlaube, „den Fahrern die Flexibilität zu bieten, die sie sich wünschen und gleichzeitig ihre Einnahmen zu maximieren und zu schützen“.
Elmar Wigand
Die meisten Fahrer würden dies einer Festanstellung vorziehen, da sie so Spitzenzeiten besser nutzen könnten und im Schnitt statt neun bis zehn 16 Euro pro Stunde verdienen würden. Darüber hinaus habe Deliveroo strenge Prozesse etabliert, um sicherzustellen, dass jeder, der dort arbeitet, das auch darf. Dazu gehörten auch eine korrekte steuerliche und gewerbliche Anmeldung.
Zum Vorwurf, Subsubunternehmertum zu fördern, sagte Deliveroo, Freiberufler könnten sich zwar tatsächlich vertreten lassen. Die Vertreter müssen aber Auflagen erfüllen und relevante Dokumente sowie eine Arbeitserlaubnis nachweisen. Jeder Vertragsbruch führe sofort zu einer Beendigung des Vertrags.
Wigand hingegen erklärte, die Deliveroo-Praktiken förderten „Stücklohnknechtschaft“ und Intransparenz. „Das ist ein Rücksprung in die Anfänge des Industriezeitalters.“ Deshalb seien Betriebsräte wichtig, die das Transparenzproblem lösen und sich darüber hinaus für Tarifverträge und eine bundesweite Organisation der Deliveroo-Fahrer einsetzen könnten.
Dass es den Kölner Betriebsrat aus diesen Gründen behindert habe, bestritt Deliveroo und erklärte: „Keiner unserer Fahrer wurde jemals aufgrund einer Tätigkeit im Betriebsrat entlassen.“ Ganz im Gegenteil, das Unternehmen habe die Gründung eines Betriebsrates unterstützt, indem Sitzungsräume zur Verfügung gestellt wurden und die Sitzungszeit vergütet wurde.
Deliveroo arbeite bis jetzt noch nicht profitabel, sagte Wigand. Es sei aber interessant für Investoren, zum Beispiel wegen der Kunden- und Fahrerdaten, die das Unternehmen sammelt. Er bemängelte auch, dass die Fahrer während der Arbeitszeit getrackt, bewertet und live von Deliveroo und den Kunden kontrolliert werden könnten: „Das ist die totale Überwachung.“
Der Konzern befindet sich in Deutschland im Wettkampf mit den Lieferdiensten Foodora und Lieferando. Wenn sich im Rahmen der neoliberalen Ideologie einer der drei gegen die anderen durchgesetzt habe, drohe Sozialdarwinismus unter den Fahrern, befürchtete Wigand. So könnten Bonussysteme dafür sorgen, dass ein Wettkampf um die profitabelsten Liefertouren entbrennt. Auch dort wolle Aktion gegen Arbeitsunrecht Widerstand leisten:“Wir lassen uns nicht verheizen und gegeneinander ausspielen.“
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