Arbeitskampf bei Bildungsträger: Die Kettenbefristung abwerfen
Beim Anne Frank Zentrum kämpfen Festangestellte und freie Mitarbeiter*innen für bessere Arbeitsbedingungen. Damit sind sie ein Vorbild.
![Gruppenbild der Mitarbeiter des Anne frank Zentrums in Verdi-Warnwesten und mit Transparent Gruppenbild der Mitarbeiter des Anne frank Zentrums in Verdi-Warnwesten und mit Transparent](https://taz.de/picture/6232135/14/32684708-1.jpeg)
Dessen Herzstück ist die Ausstellung über das jüdische Mädchen, deren Tagebuch aus ihrem Versteck vor den Nazis in den Niederlanden weltberühmt wurde. Darüber hinaus versteht sich das Zentrum als Lernort über den Nationalsozialismus, bietet Fortbildungen an und entwickelt Lehrmaterialien zu Antisemitismus und Rassismus. Etwa 30.000 Besucher zählte die Ausstellung 2022, über 500 Gruppen nahmen am pädagogischen Angeboten teil.
Mehr als 40 Festangestellte und ebenso viele freie Mitarbeiter stemmen die Arbeit des Zentrums – ab Donnerstag kämpfen sie gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen. Dann beginnen die Verhandlungen mit dem Trägerverein über einen neuen Tarifvertrag. Die Branche der Bildungsträger und NGOs, häufig projektfinanziert mit vielen befristeten und freien Mitarbeiter:innen, blickt darauf mit Spannung. Denn seit sie 2019 – auch mit Hilfe eines Warnstreiks – einen ersten Tarifvertrag erstritten haben, hat das Zentrum Vorbildfunktion.
Der zuständige Verdi-Sekretär André Pollmann spricht von einem „Leuchtturm in der Branche“. Ausschlaggebend sei die damals erreichte Anbindung an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes des Landes Berlin samt der richtigen Eingruppierung der verschiedenen Tätigkeiten in die Entgeltgruppen sowie eine, wie Pollmann sagt, „legendäre Entfristungsregel“. Statt dauernder Kettenbefristungen steht den Mitarbeiter:innen des Zentrums nach vier Jahren eine Festanstellung zu. Ebenso besteht ein Weiterbeschäftigungsanspruch, wenn die ausgeübte Tätigkeit weiter besteht.
Arbeitsbelastung sehr hoch
Nun geht es um weitere Verbesserungen, auch weil die Arbeitsbelastung und der Druck „sehr hoch“ seien, wie Mitarbeiter Robert Zenker sagt. Seit 2020 betreut er das Projekt „Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus“, das auf vier Jahre angelegt ist. Dennoch erhielt er bis zu diesem Jahr nur Ein-Jahres-Verträge – verbunden mit „großer Unsicherheit“, wie er sagt. Sie fordern nun: „Kettenverträge beenden und Entfristung schon nach drei Jahren“.
Doch das ist längst nicht alles: Gefordert wird die Bezahlung nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes in voller Höhe für alle Entgeltgruppen je nach Betriebszugehörtigkeit, es gehe um „Lohnsteigerungen von teils einigen hundert Euro“, sagt Pollmann. Hinzu kommen der Aufbau einer betrieblichen Altersvorsorge sowie ein fairer Ausgleich für Überstunden, Feiertags- und Wochenendarbeit.
Das Besondere darüber hinaus ist der gemeinsame Kampf mit und für die freiberuflichen Mitarbeiter:innen. Deren Honorare etwa für Ausstellungsführungen sollen von 23 Euro pro Stunde auf 38 Euro steigen. Die Forderungen wurden im Februar übergeben, bis zum Verhandlungsstart hat sich der Arbeitgeber Bedenkzeit erbeten. Bislang hätten sie „kein positives Zeichen bekommen“, sagt Pollmann. Doch die Beschäftigten seien bereit, „in die Bütt zu gehen“; ein gewerkschaftlicher Organisierungssgrad von 80 Prozent unter den Angestellten sei dafür eine gute Basis.
Zenker ist die „Signalwirkung“ bewusst. Mitarbeiter:innen etwa der Amadeu Antonio Stiftung haben nun ebenfalls einen Betriebsrat gegründet und kämpfen für einen Tarifvertrag und Entfristungsregelungen. Auf der Facebookseite der Tarifinitiative Anne Frank Zentrum sammeln sich Solidaritätsbekundungen von Beschäftigten anderer Betriebe. Zum Start des Arbeitskampfs laden die Mitarbeiter:innen am Donnerstagnachmittag zu einer Protestaktion in den Hof der Rosenthaler Straße 39 ein.
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