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Arbeit und FinanzenMindestlohn durch Steuerprüfer

Der Gewerkschaftsbund stellt einen Forderungskatalog auf, den er über mehr Finanzbeamte finanzieren will. Der Steuerzahlerbund hält das sogar für realistisch

DGB-Demonstration am 1.Mai in Berlin. Bild: DPA

Sozialer Wohnungsbau für die wirklich Bedürftigen, ein Mindestlohn von 8,50 Euro und Bundesgehalt für Beamte: Die Forderungen des Deutschen Gewerkschafts-Bundes (DGB) im Wahlkampf lesen sich wie ein "Wünsch dir was"-Katalog. Dem sei aber nicht so, behauptete die regionale DGB-Chefin Doro Zinke am Dienstag: "Wir haben Vorschläge für zusätzliche Einnahmen und für Sparmaßnahmen, mit denen die von uns angestrebten Maßnahmen gegenfinanziert werden können", sagte sie. So würde etwa jeder neu eingestellte Steuerprüfer bis zu 850.000 Euro jährlich in die Landeskassen spülen. "Ganz Berlin redet darüber, dass wir kein Geld haben - dabei gibt es viele Steuern, die einfach nicht gezahlt werden."

Der Berliner DGB bekräftigte damit jüngste Klagen der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di. Die hatte ausgerechnet, dass in Berliner Finanzämtern mehr als 10 Prozent Beamte zu wenig arbeiten. Statt der benötigten 6.720 Stellen seien im Haushalt 6.008 Stellen vorgesehen. "Insgesamt verzichtet das Land Berlin jährlich auf einen dreistelligen Millionenbetrag an Steuern", hieß es in der Ver.di-Erklärung.

Die Senatsverwaltung für Finanzen erklärte auf Anfrage, im anstehenden Doppelhaushalt sei vorgesehen, 40 Betriebsprüfer neu einzustellen. Damit sei das Soll erfüllt. Pauschale Rechnungen, wie viel Einnahmen ein Mitarbeiter akquiriere, seien gleichwohl schwierig, sagte ein Sprecher.

Rechnung plausibel

Der Vorsitzende des Berliner Steuerzahlerbundes, Alexander Kraus, hielt die DGB-Rechnung für realistisch. "So wie ich es mitbekomme, sind Finanzbeamte gut ausgelastet", sagte Krause der taz. Es sei daher plausibel, dass mehr Beamte mehr Einnahmen holen würden.

"Je kleiner das Unternehmen, desto seltener wird geprüft", erklärte Kraus weiter. Es seien in der Regel eben nicht die Millionäre, die in großem Stil beiseiteschafften. Vielmehr läpperten sich die Steuereinnahmen oft durch Kleinbeträge zusammen. "Bei Gewerbebetrieben muss das nicht einmal richtige Steuerhinterziehung sein", sagte Kraus. Mal werde ein Dienstwagen deutlich mehr privat genutzt als angegeben, mal kämen bei Prüfungen verdeckte Gewinnausschüttungen ans Tageslicht.

DGB-Vorsitzende Zinke forderte den Senat auf, grundsätzlich genauer hinzuschauen, wenn es ums Einhalten von Verträgen oder darum gehe, Fördergelder zu verteilen. So müsse etwa ein Vertrag mit neuen S-Bahn-Betreibern so formuliert werden, dass kurzfristige, effektive Sanktionen möglich seien. Wohnungsbaugesellschaften sollten zwar kostenlos Grundstücke erhalten, um preisgünstiger bauen zu können - aber dann müsse auch kontrolliert werden, dass tatsächlich Wohnungen für Bedürftige entstehen, sagte Zinke.

Eine Wahlempfehlung sprach der DGB nicht aus. Traditionell seien zwar die derzeit regierenden SPD und Linke den Arbeitnehmervertretern am nächsten. "Aber wir können uns längst nicht mehr darauf verlassen, dass sie unsere Anliegen immer mitdenken", sagte Zinke. Zudem seien längst auch Grünen- und CDU-Mitglieder in der Gewerkschaft organisiert. Bei aller Kritik am Zustand des Landes würdigte Zinke einige rot-rote Projekte. "Die Industriepolitik hat sich sehr positiv entwickelt, Kinder lernen länger gemeinsam, Kitas und Unis sind gebührenfrei."

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4 Kommentare

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  • A
    aurorua

    Seit Jahrzehnten fordern Gewerkschaften dieses und jenes, man will ja im Gespräch bleiben. Auch Sozialverbände halten Maulaffen feil zum Wohle der Benachteiligten.

    Ein paar schwache Jahre kann jeder mal haben, aber Jahrzehnte bloß zusehen wie immer mehr Menschen immer weniger verdienen, wie Aufstocker, Dumpinglohn (8,50 € ist Dumpinglohn bei den Preisen!), Zeitarbeit, Armut bei Alt und Jung die Regel werden das hat doch mit Gewerkschaft nichts mehr zu tun. In Italien, Frankreich, Spanien, Griechenland setzen sich Gewerkschaften aktiv ein, notfalls mit Generalstreik und hier, dummes Gelaber.

    Waren beim "Großen Rentengipfel" nicht auch Gewerkschafter und Sozialverbände mit am Tisch? Bei dem Ergebnis sollten sich diese überbezahlten Schwätzer in Grund und Boden schämen, aber womöglich feiern sie von der Leyens IRRSINN noch als Erfolg.

    Gelegentlich klagen Sozialverbände und Gewerkschaften sogar bis hin zum BVG immer mit Blick auf unsere Verfassung und die Menschenrechte. Meist werden solche Klagen rigoros als unbegründet abgewiesen (liegt wohl an den Gewerkschafts und Sozialverbandsanwälten). Aber den MUMM auch endlich einmal den EGHfM zu bemühen, weil unsere obersten Gerichte mit Blick auf Posten und Karriere nur noch nach Kassenlage entscheiden, haben sie natürlich auch nicht.

    Würde man diese Pseudoanwälte der Armen und Schwachen an ihren Taten messen und nicht an ihren Worten, wären sie längst überflüssig!

  • Y
    yberg

    EnzoAduro ihrem die hintergründe erhellenden beitrag möchte ich jedoch als überlegung hinzufügen,daß zusätzliche steuerprüfer ja nicht nur ihre ermittelten steuern einbringen sondern auch das entdeckungsrisiko

    für steuerhinterzieher erhöhen und damit passiv zu einem erhöhten steueraufkommen beitragen.

     

    unbenannt seitens der steuerverwaltung bleibt auch die realisierungshöhe der durch prüfer und fahnder festgestellten nachzuzahlenden beträge und der durch die gerichte festgesetzten strafen.

     

    diese summe wird nicht mal die hälfte der geforderten zahlbeträge ausmachen.

     

    solange darüberhinaus die unentdeckte kriminelle steuervermeidung zu einem wettbewerbsvorteil führt

    muß auch zusätzlich von einem hohen innovatons-,

    wettbewers- ,lohnsteuer- und sozialversicherungsschaden ausgegangen werden.

  • E
    EnzoAduro

    Problem: Länderfinanzausgleich

     

    Wenn Berlin 10% mehr Steuerprüfer einstellen würde, müsste Sie ihr Gehalt zu 100% zahlen. Das zusätzliche Geld würde aber nahezu vom Länderfinanzausgleich (LFA) abgezogen werden. Unter dem Strich stünde ein Minus. Ganz abgesehen davon das vielleicht ein paar firmen in andere Bundesländer gehen würden weil sie die anstrengenden Betriebsprüfungen nicht mögen.

     

    Das gleiche Bild ist in Baden-Württemberg: Hier würden die zusätzliche Steuereinnahmen gleich vom LFA weggenommen werden.

     

    Daher gibt es in allen Bundesländern zu wenig Steuerprüfer, denn jedes einzelne würde unter mehr Steuerprüfern leiden.

     

    Daher sollte das an den Bund übertragen werden. Der Bund sollte die Steuerprüfer beschäftigen. Die Länder können das nicht.

     

    Das Sie diese Problematik hier vergessen haben ist schade, denn Genau das ist ja die Krux. Berlin kann sich schlichtweg nicht mehr Steuerprüfer leisten, es wäre ein Minusgeschäft.

  • Y
    yberg

    solange sich politiker whisleblower lösungen verschließen,die in amerika,dem uns immer als leuchtendes beispiel vorgehaltenen traumland,für steuerdisziplin sorgen,dort werden whisleblower mit hohen prozentsätzen der beigetriebenen steuern belohnt,wird die steuerverwaltung und die gesellschaft zweiter sieger bleiben.

     

    noch schlimmer ist,daß steuergesetze unter zuhilfenahme von rechtsberatenden kanzleien zustandekommen,ja diese kanzleien oft die gesetze in den ministerien schreiben

    die gleichen rechtsberater stehen auch bei den betroffenen national und international tätigen unternehmen und personen im sold und zimmern für diese länderübergreifende steuervermeidungs strategien und im streitfall mit behörden ein verteidigungs und einschüchterungs feuerwerk.

     

    solange diese komplizenschaft von naiven,es gibt natürlich auch berechnende, mandatsträgern und verwaltungshandelnde der höchsten ebene nicht abgestellt wird, sinkt die steuerlast,für die profiteure unsres wirtschaftssystems weiter.

    ein blick in die steuerstatistiken genügt.

     

    die steuernlast als wichtigsten standortvorteil zu verkaufen ist dämlich und kurzsichtig,weil damit die gesellschaft,die für die unternehmen den markt stellt,rechtssicherheit schafft,qualifizierte mitarbeiter heranbildet und die konsumenten stellt,kannibalisiert wird.

     

    die von großunternehmen bezahlten mietmäuler und schreihälse,die andauernd niedere steuern einfordern müssen seitens der verwaltung mit der offenlegung der

    steuerzahlungen aller bürger und hier im land tätigen unternehmen im elektronischen bundesanzeiger

    ruhiggestellt werden.insider wissen längst,daß die theoretischen steuersätze nur bei den abhängig beschäftigten nicht theoretisch bleiben.dazu genügt auch ein blick in entsprechende studien.

     

    das angeblich scheue reh kapital produziert großkotzige paläste,scheißt unfähige manager mit riesensummen zu und besitzt die frechheit eine be-

    drohungssituation marktschreierisch herbeizureden und herbeizuschreiben,die von den mit werbung und pr aufträgen beauftragten medien und oft auch von mit aufträgen geschmierten journalisten in ihren unternehmen und anstalten unkritisch aufgenommen und ausgerufen wird

     

    wann wurde denn im land der letzte millionär geklaut,ein großunternehmen ausgenommen,außer vom spitzenmanagement.

    wie kann es denn sein,daß nicht nur an der börse gehandelte unternehmen,die meist ausufernden obszönen-dackelmann- gewinne verkünden und zukünftige erfolge ausmalen,plötzlich durch information der öffentlichkeit über ihre steuerbelastung bedroht sein sollen.

     

     

    das irrste in der gemengelage is,daß im wirtschaftsalltag für whisleblower,hinweis- und tippgeber,verdeckt arbeitende ermittler und sonstige informationsgeber und semikriminelle,die aus konkurrenzunternehmen berichten , summen in milliardenhöhe ausgegeben und von der steuer abgesetzt werden.

     

    irgendwann wird es doch hoffentlich ein "verarsche war gestern" von den steuersenkungs koalitionsparteien SPD und GRÜNEN geben.

     

    oder wollen die jetzigen mandatsträger wirklich alle den koofmichs fischer und schröder nacheifern...