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Anzeige gegen StudentenverbindungEhrenlose Burschis sollen illegales Duell gefochten haben

In Marburg sollen sich Studentenverbindungen ein illegales Fechtduell um die Ehre geliefert haben. Ihre Begründung liest sich lächerlich.

Das 19. Jahrhundert hat angerufen und will seinen Ehrbegriff zurück: Mensurausrüstung (nicht zum Spielen am Anus geeignet) Foto: Action Press
Andreas Speit

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Andreas Speit aus Hamburg

Das Schreiben der Studentenverbindung kommt einer Selbstentlarvung gleich. Die schlagende Verbindung aus Marburg mit dem Namen Landsmannschaft Hasso-Borussia fordert eine „Fechtfolge“ wegen „unverschämten Verhaltens“. Sie beschuldigt einen Studenten der Corps Hasso-Nassovia, ebenfalls aus Marburg, eine „Ehrverletzung“ begangen zu haben. Der örtliche Linken-Kreisverband fragt nun, ob ein „illegales Duell“ stattgefunden habe.

Bei der Staatsanwaltschaft stellte sie deshalb Anzeige wegen eines möglichen „Ehrenhandels“. Die Fechtfolge soll am 15. August im Haus des Corps Hasso-Nassovia stattgefunden haben. Das Aufforderungsschreiben der Landsmannschaft Hasso-Borussia liegt der taz vor. Demnach haben drei Männer aus der Verbindung das Duell eingefordert. In „der Erwartung, dass Sie ihr Mensurzeug ausnahmsweise für etwas anders als abendliche Spiele an ihrem corpsbrüderlichen Anus verwenden“, heißt es dort. „Wir erwarten seit mehreren Semestern“ die „von uns an Sie gestellte Fechtfolge“, heißt es in dem Schreiben.

Der Anlass für das geforderte Duell dürfte jenseits von Burschenschafts-, Landsmannschafts- und Corpskreisen etwas banal erscheinen. Die Studenten der Landsmannschaft legen dar, dass ein Student des Corps in einem „Dönerladen“ einen Landsmannschaftler im „Beisein von dessen Kindern“ zurechtgewiesen hätte, dass „nicht jedes Lokal couleurfähig“ wäre. Couleur meint die Farbe der Bänder der studentischen Verbindungen, die Mitglieder an ihrer Kleidung tragen.

Die Wortwahl in dem Schreiben ist vulgär und damit ganz anders als die Art, wie sich die Verbindungen selbst darstellen wollen. Die Landsmannschaftler bezeichnen das Mitglied des Corps als Träger eines „verranzten Couleurs“ und erfinden für die andere Verbindung das lustige Wort eines „fechtverpisserischen Restsauhaufens“. Die Ausführungen in dem Brief legen nahe, dass nicht der übliche, streng reglementierte und legale Fechtkampf („Mensur“) ausgetragen werden soll.

2014 erstach ein Burschi einen Studenten

„Normale“ Mensuren sind rechtlich straffrei, wie der Bundesgerichtshof 1953 feststellte. „Duelle zur Lösung von ‚Ehrverletzungen‘ aber sind verboten“, sagt Urs Köllhofer, Co-Vorsitzender des Linken-Kreisverbands Marburg-Biedenkopf. Diese „Form der Konfliktlösung“ gefährde „unser ziviles Zusammenleben“. Dadurch entstehe eine „gewaltaffine Parallelwelt“, wobei die Praxis der Gewalt nicht in diesen Kreisen bleibe.

Das ist keine bloße Befürchtung: 2014 erstach ein Aktiver der Landsmannschaft Nibelungia Marburg einen nicht korporierten Studenten im Streit mit einem Stich ins Herz. Der damalige Täter und heutige Alte Herr der Landsmannschaft arbeitet nun in einer Apotheke in einer niedersächsischen Stadt.

Fechtduelle wegen der Ehre, wie sogenannte „Pro Patria-Suiten“, sind verboten und können als Offizialdelikt – selbst wenn kein Beteiligter verletzt wurde – von Amts wegen als versuchte gefährliche Körperverletzung strafverfolgt werden. Solche strafbaren Handlungen drängen aber selten an die Öffentlichkeit, sagt Köllhofer von den Linken.

Burschis fürchten Verbot von Mensuren

Öffentlich wurde das mutmaßliche Duell im August durch eine Antifa-Gruppe „Stadt, Land, Volk“, die zu rechten Netzwerken in Hessen recherchiert. Diese hatte auch gegen eine Studentenhistorikertagung in Marburg mobilisiert, die letztlich nicht stattfinden konnte. Im Milieu der schlagenden Verbindungen besteht jetzt die Sorge, dass durch Bekanntwerden der illegalen Duelle auch die legalen Mensuren verboten werden könnten.

In der Facebook-Gruppe „Tradition mit Zukunft“ mit 15.000 Korporierten merkt ein User prompt an, wie „doof“ und „stillos“ es sei, eine „Begründung im Brief zu schreiben“, und ein weiterer User konstatiert: „Man gibt der Antifa nicht Argumente“, mit denen die Rechtsprechung kippen könne. Ein anderer Autor klagt auf der Plattform Reddit: „Das sind genau die Art von Vorfällen“, die „mittelfristig zu einem übergreifenden Mensurverbot führen können“. Denn die „Richter“ kämen auch nicht mehr aus ihren „Reihen“. Ein anderer Autor merkt nur kurz und knapp an: „Ach Du heilige Scheiße.“

Offiziell sind die Verbindungen weniger auskunftsfreudig: Weder die Landsmannschaft Hasso-Borussia noch das Corps Hasso-Nassovia wollten sich auf taz-Anfrage äußern.

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