Antiziganismus in Frankreich: Hitler als Referenz
Der Bürgermeister und Abgeordnete Gilles Bourdouleix beleidigt französische Fahrende. Seine Partei will ihn deshalb rauswerfen.
PARIS taz | Weder die sommerliche Hitze noch die regelmäßigen Streitigkeiten um geeignete Campingplätze für Familien von Fahrenden können die mehr als gehässige Äußerung des Bürgermeisters von Cholet entschuldigen. „Vielleicht hat Hitler nicht genug (von euch) umgebracht“, entgegnete Gilles Bourdouleix in seinem Zorn einer Gruppe französischer Nomaden.
Diese hatten sich ohne seine Genehmigung auf einem privaten Grundstück in seiner Gemeinde in Westfrankreich niedergelassen. Als er sie von dort wegkomplimentieren wollte, hätten sie ihn mit dem Hitlergruß provoziert, erklärte er später.
Im Nachhinein behauptete er, seine Äußerung sei entstellt worden; was dann in allen Medien als beschämendes Zitat zirkulierte, sei eine Montage. Dem widerspricht aber ein Journalist der Lokalzeitung Courrier de l’Ouest, der das hitzige Wortgefecht zwischen dem aufgebrachten Bürgermeister und den Fahrenden aufgezeichnet hatte.
Bourdouleix ist nicht nur Lokalpolitiker, sondern auch Abgeordneter der bürgerlichen Zentrumspartei UDI. Dieser ist der Skandal höchst peinlich. Bourdouleix ist ein „Wiederholungstäter“, er hatte früher schon Fahrenden gedroht. Mit Hitler als Referenz ist nun auch für die UDI das Maß voll. Am Mittwoch soll Bourdouleix aus der Partei ausgeschlossen werden. Zudem wird seine Äußerung auch strafrechtliche Folgen haben.
Unwillkommene Staatsbürger
Mit seinem Zigeunerhass steht er jedoch nicht allein. In zahlreichen Gemeinden regt sich seit Jahren Widerstand gegen die gesetzliche Auflage, den Fahrenden, die in der Mehrheit französische Staatsangehörige sind, mit Wasser und Strom ausgestattete Gelände zur Verfügung zu stellen. Da es an geeigneten Grundstücken fehlt, kommt es zu Reibereien mit Nachbarn und Behörden.
Der Bürgermeister von Nizza hatte vor Kurzem einen „Leitfaden“ für seine Amtskollegen angekündigt, um ihnen zu erklären, wie man mit unwillkommenen „Zigeunern“ umspringen müsse. Der Gründer des Front National, Jean-Marie Le Pen, legte noch nach. Wenn ab 2014 Rumänen und Bulgaren frei einreisen könnten, würden „50.000 Roma“ nach Nizza kommen – und deren Anwesenheit sei „hautreizend“ und „geruchlich“ störend, meint Le Pen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung