Antisemitismus: Ein Mea Culpa an der Wand
Mit einer Gedenktafel bekennt sich die Domgemeinde zu ihrer Rolle in der NS-Zeit. Die Domportale sind nun "Mahnmale gegen Diskriminierung"
Kurz vor dem Kirchentag unternimmt die Domgemeinde einen Schritt zur Aufarbeitung ihrer NS-Vergangenheit. "Wir bekennen, wir haben mehrheitlich geschwiegen und hier am Dom auch gebilligt, was geschehen ist," sagte St.-Petri-Pastor Christian Gotzen am Freitag in der Mittagsandacht.
Traditionell ist das Verhältnis von Christen und Juden ein wichtiges Thema auf Kirchtagen - ein Anlass also für die Gemeinde, sich zu den schon 1891 über den Domportalen angebrachten antisemitischen Darstellungen zu verhalten. Deshalb stellte sie gestern eine Gedenktafel vor, auf der sie die Darstellungen zum "Mahnmal gegen Diskriminierung" umwidmet.
Die Portale zeigen Szenen aus der biblischen Geschichte, auf denen auch bösartige Karikaturen von Juden mit verquollenen Augen und Hakennasen zu sehen sind. Auf einem Bild schauen Juden mit "Judenhüten" aus einem Fenster lächelnd dabei zu, wie Jesus von römischen Soldaten gefoltert wird. Die antisemitische Gesinnung, die schließlich zum Holocaust führte, sei schon zur Zeit der Entstehung dieser Darstellungen "in den Köpfen und Herzen präsent," sagte Gotzen während der Andacht, an der auch Bürgermeister Jens Böhrnsen teilnahm.
Die nun neben dem rechten Eingang angebrachte Gedenktafel trägt die Überschrift "Die Domportale mahnen uns". Sie nähmen in ihren "deutlich antisemitischen Zügen das christliche Kunstverständnis ihrer Zeit auf". Die Gemeinde, so heißt es dort weiter, "weiß um das schwere Leid, das Jüdinnen und Juden zugefügt wurde. Auch unsere Gemeinde hatte daran ihren Anteil". Die Portale seien als Mahnmal und als Aufforderung zu verstehen, "sich Diskriminierungen bewusst zu machen und sie entschieden zurück zu weisen".
Bei der Vorstellung der Tafel sagte Hans-Georg Friedrichs von der Domgemeinde, die Shoa sei zwar nicht umfassend erklärbar, wohl aber "Bausteine", die zu ihrer Entwicklung geführt hätten. Einer davon sei der "gesellschaftsfähige Antisemitismus", der sich auch in den Bronzetafeln niederschlage. Es gehe deshalb nicht darum, den Künstler Peter Fuchs anzugreifen, der die Portale "im Geist seiner Zeit" geschaffen habe. "Damals mag man die Giftigkeit dieses Keims noch nicht erkannt haben," sagte Friedrichs. Doch auch die Domgemeinde habe sich "mit dem braunen Bazillus anstecken" lassen. Dies zeige etwa der Umstand, dass am Dom Hakenkreuzflaggen angebracht wurden, oder auch die Rolle des NS-Theologen Heinrich Weidemann. Der Domprediger, Landesbischof und Gauleiter der "Deutschen Christen" Weidemann hatte sich offensiv für eine "entjudete" und "dem Volkstum verpflichtete Kirche" eingesetzt.
Bürgerschaftspräsident Christian Weber (SPD), sagte, der 8. Mai markiere "das Ende eines Irrweges der deutschen Geschichte". Es wäre falsch, die Türen einfach auszuhängen, da sie zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zwängen. Der Schritt der Domgemeinde sei Ausdruck einer "lebendigen Bremer Tradition des Erinnerns", wie sie auch das Rosenack-Haus verkörpere. Bremen müsse dankbar dafür sein, dass auf diese Weise der "Dialog mit der jüdischen Gemeinde in eine neue Phase trete".
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