piwik no script img

Antisemitismus an HochschulenGanz angepasste Persönlichkeiten

Gastkommentar von Marlene Schönberger

Auch an deutschen Hochschulen gibt es Antisemitismus. Er ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das wir alle bekämpfen müssen.

Das Hauptgebäude der Humboldt-Universität in Berlin Foto: imago

A n der Humboldt-Universität in Berlin soll eine Dozentin in den vergangenen Jahren wiederholt antisemitische Inhalte auf ihren Social-Media-Profilen geteilt haben. Jüdische Student:innen, die davon erfuhren, wollten ihr Seminar nicht mehr besuchen. Da die Aussagen im privaten Raum gefallen seien, sieht die Universität sich nicht in der Verantwortung. Die Dozentin selbst beruft sich darauf, dass allein das Teilen von Inhalten nicht mit Zustimmung gleichzusetzen sei.

In den vergangenen Jahren hat es immer wieder Fälle gegeben, in denen Do­zen­t:in­nen oder Gast­red­ne­­r:in­nen an Universitäten durch antisemitische Äußerungen aufgefallen sind. Die Verantwortung liegt zuerst bei der ­jeweiligen Hochschule, angemessen auf solche Fälle zu reagieren und konsequent gegen Antisemitismus wie auch jegliche andere Art der Diskriminierung vorzugehen.

Es ist aber an uns allen, an der Gesellschaft und an politischen Entscheidungsträger:innen, aus diesen Fällen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Häufig werden antisemitische Äußerungen, die an Hochschulen gemacht werden, gar nicht erst öffentlich, weil die Betroffenen mögliche Folgen fürchten, wenn sie darauf aufmerksam machen. So passiert, was auch an der Humboldt-Universität geschehen ist: Jüdische Schüler:innen, jüdische Stu­den­t:in­nen ziehen sich zurück. Es mangelt an Solidarität.

Die Tatsache, dass es auch unter Aka­de­mi­ke­r:in­nen zur Äußerung antisemitischer Ressentiments kommt, ist nicht verwunderlich. Schrieb doch schon der bekannte Psychoanalytiker Ernst Simmel 1946, dass es sich bei An­ti­se­mi­t:in­nen um „relativ normale, gut angepasste Persönlichkeit[en]“ handelt.

Marlene Schönberger

ist Abgeordnete und ordentliches Mitglied im Bildungsausschuss sowie stellvertretendes Mitglied im Innenausschuss. In der Grünen Bundestagsfraktion ist sie die zuständige Berichterstatterin über jüdisches Leben und Antisemi­tismus.

Antisemitismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Und so müssen wir ihm auch begegnen, ob bei Neo­nazi­kon­zer­ten, in deutschen Parlamenten, auf verschwörungsideologischen Demos oder eben auch in Hochschulen. Jü­din­nen:­Ju­den sind darauf angewiesen, dass nichtjüdische Menschen den Kampf gegen Antisemitismus als ihre ganz persönliche Verantwortung begreifen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare