piwik no script img

Antisemitischer Schläger verurteiltAttacke im Parkhaus

Wegen Körperverletzung und Beleidigung verurteilt das Amtsgericht Bremen Lorenz K.. Er hatte rassistisch geschimpft und auf sein Opfer eingeprügelt.

Antisemitismus allerorten: Schild einer Demonstrantin nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle Foto: dpa

Bremen taz | Obwohl der Mann, der ihn im April 2017 angegriffen und antisemitisch beleidigt hatte, soeben verurteilt wurde, ist Qais A. nicht zufrieden. „Das Urteil ist keine Entschädigung oder Entschuldigung, der Angeklagte zeigt keine Reue“, sagt der Arzt israelischer Herkunft kurz nach Abschluss der Hauptverhandlung gegen Lorenz K. vor dem Amtsgericht Bremen.

Als A. und seine Frau vor zweieinhalb Jahren mit dem Auto in die Parkgarage eines Bremer Einkaufszentrums eingebogen seien, hätten sie Schreie gehört. „Es klang so, als würde jemand Hilfe benötigen, also hielt ich an“, sagt A. vor Gericht.

Geschrien hatte der Angeklagte K. Auf einem Video einer Überwachungskamera, das die Richterin als Beweismittel heranzieht, sieht man, wie K. plötzlich durch A.s geöffnetes Autofenster brutal auf A. einprügelt. „Er hielt mich mit der linken Hand am Gurt fest und drückte mir die Luft ab, mit der rechten Faust schlug er mehrfach gegen meinen Kopf“, schildert A. Währenddessen habe K. rassistische und antisemitische Kommentare abgegeben: „Wir brennen euch nieder, wie die scheiß Juden, wir rechnen mit euch ab“, habe er gesagt. Laut der Staatsanwaltschaft soll K. zudem explizit Türken beleidigt haben.

Im Gespräch mit der taz sagt A., dass er in derselben Nachbarschaft wie der Angeklagte wohne. „Er konnte durchaus wissen, dass ich Jude bin.“ Außerdem lief zum Tatzeitpunkt he­bräische Musik im Auto. K. weist die Vorwürfe zurück: „Ich bin kein Rassist“, sagt er.

Er hielt mich mit der linken Hand am Gurt fest und drückte mir die Luft ab, mit der rechten Faust schlug er mehrfach gegen meinen Kopf

Qais A., Opfer eines rassistischen Angriffs

A. schildert, wie er sich kurz aus K.s Griff habe befreien können, indem er dem Täter Eistee aus einem Einwegbecher ins Gesicht geschüttet habe. Er habe die Tür geöffnet und sei von K. aus dem Wagen gezerrt worden. Da K. weiterhin aggressiv gewesen sei, habe das Opfer versucht, ihn festzuhalten. Im Gerangel seien beide gestürzt, dabei verletzte sich K. am Kopf, A. am Finger.

Frau A. schildert die Situation vor Gericht wie ihr Mann, auch das Überwachungsvideo der Garageneinfahrt bestätigt ihre Version. Der Angeklagte hingegen beharrt auf seiner eigenen Geschichte. Das Überwachungsvideo müsse manipuliert worden sein, behauptet K.s Sohn.

Er und K.s Frau waren beim Vorfall anwesend und sind als Zeugen geladen. Sie bestätigen K.s Geschichte: Sie seien von A.s Auto fast überfahren worden. K. habe sich darüber aufgeregt und A. auf sein Fehlverhalten hingewiesen. Als K. sich wieder abwenden wollte, habe er heißen Kaffee im Nacken gespürt. Anschließend sei er von A. mit einem metallenen Thermobecher schwer am Kopf verletzt worden. „Ich bin hier das Opfer“, sagt K.

Vor Ort wurde jedoch kein Metallbecher gefunden, zudem sei K.s Kleidung nur vorne nass gewesen. So steht es im Polizeibericht. „Der Becher wurde bestimmt ausgetauscht“, sagt K. Eine Gruppe von „rund 20 ausländischen Mitbürgern“, die sich am Tatort gesammelt haben, hätte dies machen können. Beim Eintreffen der Polizei seien aber lediglich drei Personen neben den involvierten Familien anwesend gewesen, sagt ein Polizist aus.

Obwohl die Richterin A. recht gibt, erhebt dieser schwere Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft und die Polizei. Auch er habe nach dem Vorfall eine Anzeige wegen gefährlicher Körperverletzung erhalten. Das Verfahren wurde eingestellt. Bei der Beweisaufnahme am Tatort habe A. eine Ungleichbehandlung gespürt: Während lediglich ein Polizist K. befragt habe, sei er selbst von mehreren Beamt*innen umkreist worden, aber niemand habe mit ihm gesprochen. Ein Krankenwagen habe sich nur um den Angeklagten gekümmert.

Die Richterin verurteilt K. wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 4.800 Euro. Das Video sei Beweis genug, auch die Aussage von A. halte sie für glaubwürdig. K., der ohne Anwalt auftritt, will in Revision gehen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Die Geschichte klingt doch arg konstruiert.



    Eistee in einem Einwegbecher? Nee, ist klar. Fahr ich auch immer mit rum.



    Und dass das vermeintliche Opfer angehalten hätte, weil es dachte, dass jemand Hilfe braucht, klingt auch mehr als abenteuerlich. Irgendeinen Grund wird es schon gegeben haben warum es zu dieser Auseinandersetzung gekommen ist.



    Ein rassistisches oder antisemitisches Motiv hat das Gericht nicht festgestellt. Es steht Aussage gegen Aussage, eine Tonaufzeichnung gab es nicht. Seriös geht anders, liebe taz...

  • Danke für den ausführlichen Bericht. Kein Fußbreit dem Antisemitismus! Eine kritische Frage habe ich aber doch: Hätte die taz den Fall auch thematisiert, wenn der Täter nicht Lorenz heißen würde?

    • @Roger Z:

      Worauf wollen Sie hinaus?