Antifeminismus auf Tiktok: Propaganda mit dem Kochlöffel
Die „Tradwives“ kochen, erziehen und gehorchen ihren Männern. Sie inszenieren Selbstbestimmung, aber docken in Wahrheit rechten Ideologien an.
Die Antwort: Sie putzt, geht einkaufen, kocht. Sie gebärt Kinder und zieht sie auf, richtet das Haus schön ein und achtet auf ein gepflegtes Äußeres. Die Anfang-30-Jährige, die ihren echten Namen bei Instagram nicht preisgibt, bezeichnet sich als Tradwife. Hinter dem Social-Media-Trend stehen meist weiße, gut situierte Frauen, die es sich leisten können, nur vom Einkommen ihres Ehemanns zu leben und die sich in sozialen Medien als traditionelle Hausfrau inszenieren.
Dieser Text ist Teil der Sonderausgabe zum feministischen Kampftag am 8. März 2024, in der wir uns mit den Themen Schönheit und Selbstbestimmung beschäftigen. Weitere Texte finden Sie hier in unserem Schwerpunkt Feministischer Kapmpftag.
Das Phänomen stammt aus den USA, erfährt aber auch in Deutschland immer mehr Zuwachs. In unzähligen Videos auf Instagram oder Tiktok präsentieren Tradwives oder unverheiratete Stay-At-Home-Girlfriends, ihren Alltag, in der Regel untermalt mit sanfter Musik und einem weißwaschenden Filter. Gerechtfertigt wird die Rückkehr zum „traditionellen Familienbild“ oft mit dem christlichen Glauben, der aus ihrer Sicht gebietet, dass Frauen in die Küche und Männer in die Minen gehören.
Selbstbestimmt Stereotype reproduzieren
Viele der Frauen beschreiben den Lebensstil, den sie propagieren, als einen selbstbestimmten. Schließlich bedeute Feminismus doch, dass Frauen sich ihr Leben so aussuchen und gestalten dürfen, wie sie wollten. Dabei reproduzieren sie vor allem veraltete Geschlechter- und Familienstereotype.
Familie bedeutet Mutter, Vater, Kind. Sie kümmert sich, er geht arbeiten. Heterosexualität ist die Norm, es gibt nur zwei Geschlechter. In den USA unterrichten Tradwives ihre Kinder. Ihre Sprösslinge sollen gut behütet zu Hause aufwachsen und bloß nicht mit der Diversität der realen Welt in Berührung kommen.
Viele dieser Accounts vermeiden es bewusst, ihre Botschaften als politisch zu verkaufen. Doch die Grenzen sind fließend, und vom harmlosen Backvideo bis zur parteipolitischen Werbung ist es nicht weit. Schon im US-Wahlkampf 2016 trendete das Hashtag #MakeTraditionalHousewivesGreatAgain.
Darunter versammelten sich unzählige Posts von Frauen, die sich beim Verrichten häuslicher Aufgaben filmen und dabei Trump dafür danken, dass er die traditionellen Eherollen wieder auf die Beine stellt. Dabei wird nicht nur mit hübschen Kleidern und frischem Sauerteig geworben, sondern manchmal auch mit Waffen und damit, als starke Hausfrau seine Rechte verteidigen zu müssen.
AfD nutzt Bild der Tradwives auch für sich
In Deutschland macht die AfD sich genau solche Vorbilder zunutze. Sie wirbt mit Sprüchen auf Wahlplakaten wie: „Traditionell? Uns gefällt’s!“, oder: „Neue Deutsche? Machen wir selber“ neben einem schwangeren Bauch. Nicht zufällig fordert die Partei höhere Geburtenraten unter Deutschen und ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen.
Die AfD weiß, wie man Social Media für die eigene Zielgruppe nutzt. Auf einem ihrer Accounts umarmt sich ein Cartoon-Hetero-Pärchen und verspricht sich vom Parteibeitritt eine bessere Zukunft für die eigenen Kinder. Eine junge Frau hält ein Baby an ihre Brust und lächelt es an; darüber ein Aufruf zum Marsch für das Leben, einer christlich-fundamentalistischen Demonstration gegen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen und Selbstbestimmung.
In einem anderen Post lächelt ein Paar mit Kind sich verliebt an, während ein Schriftzug verkündet, die AfD stehe an der Seite von Familien. In ihrem Fall wie bei den Tradwives heißt das: an der Seite von weißen, heterosexuellen Familien mit Kindern.
Das Phänomen der Tradwives ist also weder unpolitisch noch harmlos. Denn Fragen von finanzieller Sicherheit und einem sorglosen Leben, ohne im sich immer drehenden Rad des Kapitalismus um seine Existenz kämpfen zu müssen, beschäftigen viele junge Menschen. Auch wenn Tradwives und Stay-At-Home-Girlfriends sich nicht immer explizit für rechte Parteien aussprechen oder direkt rassistische und queerfeindliche Aussagen verbreiten. Mit ihrer Inszenierung propagieren sie doch ein Weltbild, in dem genau dies die Norm ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren