Antifa-Sprecher über Rechte in Lüneburg: „Typisch für die Szene ist, dass man einheiratet“
Extrem Rechte Strukturen werden nicht nur in Ostdeutschland stärker. Olaf Meyer vom Bündnis gegen Rechts beobachtet das auch in der Region Lüneburg.

taz: Herr Meyer, hat Lüneburg ein Naziproblem?
Meyer: Ich würde sagen: Nein. Zumindest, wenn wir über die extreme Rechte jenseits der AfD sprechen. Die ist hier marginalisiert und hat kaum organisatorische Strukturen. Aber es gibt auch hier extreme Rechte, die in der AfD sind, und es gibt Leute, die die Partei wählen.
taz: In Lüneburg kam die AfD bei der Bundestagswahl auf elf Prozent. Im Umland auf etwas zwischen 14 und 20 Prozent – also unter oder im Bundesdurchschnitt.
Meyer: Ja, aber die Zustimmung zur AfD nimmt auch hier zu wie überall. Dazu kommt, dass wir in den letzten zwölf Monaten in Lüneburg und der Region vermehrt Aktionen von extrem rechten Kleinststrukturen beobachten. Das geht von Stickern und Schmierereien bis zum Aufmarsch extrem rechter Jugendlicher, die den CSD in Winsen (Luhe) stören wollten. Das alles bettet sich ein in einen gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck, den wir nicht nur hier und nicht nur in Deutschland haben.
Vortrag und Diskussion „Extreme Rechte auf dem Vormarsch?“, mit Andrea Röpke und Matthias von der Amadeu-Antonio-Stiftung, Do, 13. 3., 18 Uhr, Foyer des Theaters Lüneburg
taz: In der ländlichen Region um Lüneburg und Uelzen wohnen schon seit über 100 Jahren besonders viele völkische Siedler:innen. Was haben die für ein Verhältnis zur AfD?
Meyer: Da gibt es personelle Überschneidungen. Vor ein paar Wochen haben wir bei einer AfD-Veranstaltung in Dahlenburg zwei Personen gesehen, die wir aus völkischen Sippenverbänden kennen. Sie waren als Besucher da. So was haben wir über die Jahre immer wieder beobachtet. Dann gibt es in der Region Uelzen einen Rechtsanwalt, den wir den Völkischen zurechnen und der für die AfD im Kreistag saß. Und es gibt den AfD-Landtagsabgeordneten Peer Lilienthal, der verheiratet ist mit einem Mitglied der Familie Meyer-Sande, eine der größten völkischen Sippen in der Region. Übrigens auch eine typische Verbindung in dieser Szene, dass man nicht Mitglied einer Partei oder Gruppe wird, sondern einheiratet.
taz: Klingt nicht gerade nach Abstand.
Meyer: Nee, vor allem nicht ideologisch. Da gibt es große Überschneidungen. In den Anfängen der AfD unter Bernd Lucke konnten die völkischen Siedler mit der Partei noch gar nicht so viel anfangen. Aber seit die Neuen Rechten wie Björn Höcke oder Götz Kubitschek mehr ideologischen Einfluss genommen haben, ist die Partei den Völkischen inhaltlich näher gerückt. Das betrifft Vorstellungen von Familie, Queerfeindlichkeit und Homophobie. Ein Beispiel ist das AfD-Wahlplakat „Deutsche machen wir selbst“. Das ist genau das Konzept der Völkischen, genau diesen Rassismus teilen die.
taz: Wie geht es der Antifa in Lüneburg und Umgebung?
Meyer: Wir merken deutlich, dass seit der Correctiv-Recherche 2024 ein Ruck durch die Gesellschaft gegangen ist. Veranstaltungen zum Thema extreme Rechte werden viel besser besucht. Vor der Bundestagswahl waren am Stand der AfD in Lüneburg mehr Menschen, um zu protestieren als sich zu informieren. Es gibt dort mehrere Antifa-Gruppen, eine Jugend-Antifa und das „Netzwerk gegen rechts“. Lüneburg hat aber auch eine lange Geschichte von antifaschistischem Engagement.
taz: Und auf dem Land?
Meyer: In Uelzen, Bienenbüttel und anderen kleinen Orten gab es seit der Correctiv-Recherche Anfang 2024 große Demos gegen rechts. Dann engagiert sich das Netzwerk „Beherzt“ in der ganzen Region gegen völkische Siedler mit Infoveranstaltungen und den „Kreuzen ohne Haken“, die sie vor Häusern aufstellen als Zeichen für die offene Gesellschaft.
taz: Also gibt es nicht nur einen Rechtsruck, sondern auch mehr antifaschistische Aktivitäten?
Meyer: Wir als antifaschistisch Aktive sind im letzten Jahr alle zusammen stärker geworden, auch wenn wir unterschiedliche Spektren abbilden und unterschiedliche Aktionen machen. Nichtsdestotrotz nimmt die gesellschaftliche Verschiebung nach rechts über die letzten Jahre noch mal zu. Das sieht man nicht nur an der AfD, sondern auch an den Forderungen der CDU. Am Ende ist es weniger wichtig, ob einzelne rechte Gruppen größer oder kleiner werden, sondern es geht darum, wie die Gesellschaft zu ihren Inhalten steht. Trotzdem ist es wichtig, die lokalen, extrem rechten Akteur:innen und Strukturen zu kennen.
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